: Malochen fürs Überleben
betr.: „Schmidt jubelt: Boom bei Minijobs“, taz vom 19. 7. 03
Kaum zu fassen, die Damen und Herren mit ihren ansprechend hohen Gehältern freuen sich über Millionen von billigen, öfter an der Armutsgrenze schuftenden MalocherInnen und feiern dies als Sieg ihrer Politik. Mal von den „tollen“ aus der Schwarzarbeit „befreiten“ Arbeitsplätzen abgesehen, bleibt einem doch die Frage: Für wie wenig muss mensch sich eigentlich noch verkaufen, um in einem der immer noch reichsten Industriestaaten der Erde das Überleben zu sichern?
Nein, ich kann mich über eine derart rasant steigende Zahl von geringfügig bezahlten, tariflich völlig ungebundenen und durch permanente Kündigung bedrohten Jobs nicht freuen. Denn der Umkehrschluss ist, dass immer mehr Menschen keine andere Chance mehr haben, als sich auf diese Jobberei einzulassen. Und es heißt auch, dass es in der BRD schon längst eine riesige Billiglohnreservearmee für das Kapital gibt. Der Druck auf andere Lohnbereiche wird weiter steigen und die Großen freuen sich über die eventuell demnächst sinkenden Erwerbslosenzahlen und ihre billige Putzfrau und den preiswerten Gärtner, die nun ganz offiziell billig arbeiten. Nur die meisten BilligjobberInnen werden nicht gefragt, ob sie sich so ihr Leben und eine vernünftige Arbeit vorgestellt haben. […]
Es gab mal Zeiten, da wollten Menschen nichts mehr, als sich von der unsäglichen Last der Überlebensarbeit befreien, um mehr Zeit für andere Dinge zu haben. Im Kapitalismus wird diese Utopie, trotz erheblicher Verwirklichungspotenziale, einfach beiseite gewischt, sonst gäb’s ja keinen Grund mehr zur Gier …
TINO KRETSCHMANN, Berlin