Malaysischer Oppositionsführer: Zu wenig "Beweise" für Homosexualität

Überraschendes Urteil in einem absurden Prozess: Der malaysische Oppositionspolitiker Anwar Ibrahim ist vom Vorwurf homosexueller Kontakte freigesprochen worden.

Freispruch für Anwar Ibrahim. Bild: dapd

BANGKOK taz | Anwar Ibrahim bahnte sich nach dem Richterspruch mühsam einen Weg durch die dicht gedrängte Menge jubelnder Anhänger. Die nahm ihn mit dem Ruf "Reformasi" (Reformen) in Empfang. "Die Gerechtigkeit hat gesiegt, endlich bin ich rehabilitiert", rief der der 64-Jährige Oppositionsführer erleichtert.

Kurz zuvor hatte ihn der Vorsitzende Richter Mohammed Zabidin Diah vom Vorwurf der Homosexualität freigesprochen. Es gebe keine stichhaltigen Beweise, welche die Anschuldigungen untermauerten, so der Richter. Wäre Anwar für schuldig befunden worden, hätte er für 20 Jahre hinter Gittern wandern können. Gleichgeschlechtlicher Sex ist im mehrheitlich muslimischen Malaysia verboten.

Ein frührerer Mitarbeiter, der damals 23-jährige Saiful Bukhari Azlan, hatte 2008 behauptet, Anwar habe ihn in einem Apartment in Kuala Lumpur sexuell belästigt. Später wurde der Vorwurf der Belästigung fallen gelassen und durch "widernatürliche Sexualpraktiken" ersetzt. Anwars Anwälte hatten ihrerseits den jungen Mann wegen Falschaussage angezeigt. Menschenrechtsorganisationen hatten das Verfahren von vornherein als politisch motiviert kritisiert. Anwar, der verheiratet und Vater von fünf Kindern ist, hat stets seine Unschuld beteuert.

Der Koalition "Nationale Front" unter Regierungschef Najib Razak warf er vor, das Verfahren initiiert zu haben, um ihn politisch aus dem Weg zu räumen. Der Premier bestritt dies vehement. Nach dem Freispruch ließ die Regierung erklären, das Urteil zeige doch deutlich, dass Malaysias Justiz frei und unabhängig von politischer Einflussnahme sei.

Überraschender Freispruch

Dabei agierte die Justiz bisher stets als Erfüllungsgehilfin der Regierung. So war es auch kein Zufall, dass die Vorwürfe wenige Monate nach den Wahlen vom März 2008 publik wurden. Damals hatte das von Anwar angeführte Oppositionsbündnis aus seiner eigenen "Gerechtigkeitspartei", der säkular ausgerichteten, von Chinesen dominierten "Democratic Action Party" (DAP) sowie der "Islamistischen Partei" (PAS) deutliche Gewinne verzeichnen konnte. Die seit der Unabhängigkeit Malaysias 1957 regierende "United Malays National Organisation" (UMNO) und ihre Koalitionspartner hingegen hatten ihre jahrzehntelange Zweidrittelmehrheit verloren.

Der fast zweijährige Prozess gegen Anwar war nicht der erste dieser Art: Schon einmal hatte er sich ähnlichen Vorwürfen stellen müssen. 1998 war er im Streit um den Kurs in der Asienkrise vom damaligen Regierungschef Mahathir Mohamad aus seinen Ämtern als Vizepremier und Finanzminister gejagt und verhaftet worden. Erst 2004 kam er wieder frei. Allerdings wurde ihm jahrelang untersagt, aktiv in der Politik mitzumischen.

Für viele kam der Freispruch jetzt überraschend. Selbst Anwar hatte mit einer Verurteilung gerechnet. Jetzt schwang er sich vor dem Hintergrund anhaltender Gerüchte um vorgezogene Neuwahlen gleich noch zu einer Kampfansage an den politischen Gegner auf: "Bei den nächsten Wahlen wird die jetzige korrupte Regierung abgelöst."

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), begrüßte Anwars Freispruch und forderte Malaysias Parlament zu Gesetzesänderungen auf, die Homosexualität künftig nicht mehr unter Strafe stellen.

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