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Majorlabels sind outMadonna ohne Plattenvertrag

Die Sängerin will bei einer Konzertagentur unterschreiben, um ihre Vermarktung besser zu kontrollieren. Nach Radiohead versucht sich so der nächste Superstar am Leben ohne Label.

Steht auf Kontrolle: Madonna mit Reitpeitsche. Bild: dpa

Nur noch ein Studioalbum ist Madonna ihrer langjährigen Plattenfirma Warner Music schuldig. Danach ist sie ohne "Label" - und kann sich überlegen, ob und wo sie einen neuen Vermarktungsvertrag unterschreibt. Die neue Freiheit scheint der amerikanische Superstar nutzen zu wollen: Wie das Wall Street Journal am Donnerstag meldete, plant die Künstlerin, nicht mehr bei einem klassischen Musikproduzenten zu unterschreiben, sondern bei der großen Konzertagentur Live Nation. Die böte ihr bis zu 120 Millionen Dollar für einen Zeitraum von 10 Jahren.

In dem Deal enthalten sind nicht nur drei Studioalben, sondern auch die Bewerbung von Madonnas meist ausverkauften Tourneen sowie der Absatz von Merchandising-Artikeln. Auch Madonnas Namen soll Live Nation vermarkten dürfen. Das Unternehmen mit Sitz in Beverly Hills dürfte dafür die Ressourcen haben: Mit 3000 Festangestellten machte es allein 2005 rund 2,8 Milliarden Dollar Umsatz, schickte etwa die Broadway-Produktionen "König der Löwen" oder "Mamma Mia" in den USA auf Tour. Madonnas Angebot soll laut dem Bericht eine Mischung aus Bargeld und Aktienanteilen sein.

So könne Madonna Vorauszahlungen von bis zu 77,5 Millionen Dollar für die drei Alben und als Bonus zum Vertragsabschluss erwarten. Weitere 50 Millionen in Bargeld und Aktien sollen für die Tourneebewerbung fließen. Von diesen Einnahmen soll Live Nation allerdings nur 10 Prozent erhalten, 90 Prozent bekommt Madonna. Dafür darf der Konzertvermarkter die Hälfte aller Gelder erwarten, wenn Madonnas Name etwa an Parfum-Hersteller lizenziert wird.

Der geplante Wechsel von einem klassischen Plattenlabel hin zu einem integrierten Konzertvermarkter wäre in der Musikbranche etwas Neues - bis vor wenigen Jahren herrschte hier strikte Arbeitsteilung. Der Grund, nun solche breiten Deals abzuschließen, liegt Branchenbeobachtern zufolge in der Verlagerung der Einnahmeströme. Durch den Rückgang der CD-Verkäufe wird das Tourneegeschehen immer wichtiger - ebenso der Absatz von Merchandisingprodukten. Große Musikstars versuchen, in diese Richtung zu diversifizieren und stärker zur "Marke" zu werden.

Madonna scheint noch nicht gänzlich entschieden zu haben, ihrem Label Warner Music den Rücken zu kehren. Ihre Repräsentanten sollen laut "Wall Street Journal" auch weiterhin mit der Plattenfirma verhandeln - doch Live Nation machte das bessere Angebot. Der Grund: Das Risiko würde Experten zufolge zu großen Teilen bei dem Konzertvermarkter liegen. Um schwarze Zahlen mit dem Deal zu schreiben, müssten so beispielsweise weltweit 15 Millionen Kopien jedes der drei neuen Alben abgesetzt werden - eine enorm hohe Zahl, die sich eigentlich nur mit Einnahmen aus dem Konzertgeschäft quersubventionieren lässt. Nach einer bestimmten Zeit fallen zudem die Rechte dieser Titel an Madonna zurück - die Lizenzeinnahmen des bisherigen Madonna-Katalogs bleiben hingegen beim alten Label Warner Music.

Der geplante Gesamtvertrag für Madonna ist beispielgebend für einen aktuellen Trend: Künstler, die gut verkaufen, überlegen sich, ohne Label weiter zu machen. Jüngstes Beispiel ist die Alternative-Band Radiohead. Sie verkauft ihr neues Album "In Rainbows" seit dieser Woche über das Web, ohne einen Plattenvertrag zu besitzen. Auch andere bekannte Bands überlegen, eine Eigenvermarktung durchzuführen - darunter Oasis, Madness und der Sänger Jamiroquai. Sie alle überlegen, die Vorteile des Internet zu nutzen - hier lässt sich Musik gegebenenfalls direkt über die Bandwebsite absetzen.

Trent Reznor, Mastermind der Elektro-Rocker "Nine Inch Nails", freute sich kürzlich auf seiner Homepage, den Plattenvertrag endlich los zu sein: "Das sind wirklich spannende Zeiten." David Enthoven, Gründer von IE Music, der Managementfirma von Robbie Williams, sagte gegenüber dem Fachblatt "Musikwoche", er erwarte, da werde "noch viel nachkommen". "Man muss sich natürlich auf seine Fan-Basis verlassen können, aber warum sollte man seine Karriere in die Hände einer Plattenfirma legen, wenn die CD-Verkäufe derart in den Keller fallen", sagte er.

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