: Majestätsbeleidigung macht Beine
■ Eine Fast-Durchsuchung bei „Bild“ stößt bei Abgeordneten auf einhellige Kritik / Beschwerde beim Generalstaatsanwalt
Selten waren sich die Damen und Herren Abgeordneten des Rechtsausschusses so einig in ihrem Votum wie gestern: Wenn die Justiz gegen Presseorgane zu Felde ziehe, sei größte Zurückhaltung und absolutes Fingerspitzengefühl geboten. Der Hintergrund: eine Fast-Durchsuchung bei Bild am vergangenen Freitag.
Anlaß war ein im Sommer erschienener Bericht über eine Amtsrichterin, die einen Hütchenspieler gehen ließ, nachdem sie ihn zu 300 Mark Geldbuße verurteilt hatte. „Skandalrichterin ließ Hütchenspieler laufen ... Hütchenspieler lachte sich kaputt“ lautete die damalige Schlagzeile. Der Präsident des Amtsgerichtes erstattete daraufhin wegen Beleidigung Strafanzeige gegen den Reporter des namentlich gezeichneten Artikels. Die Staatsanwaltschaft ermittelte in dem Fall mit einem solchen Nachdruck, daß nur der Schluß bleibt: Hier geht es um Majestätsbeleidigung.
Erster Ermittlungsschritt: Bild wurde aufgefordert, die Personalien des Reporters herauszugeben. Der Verlags-Justitiar schrieb dem Staatsanwalt darauf zurück, die Aufforderung sei völlig überflüssig, da der Name des Beschuldigten dem Bericht zu entnehmen sei, und geladen werde könne jener über die Anschrift des Verlages. Ansonsten werde man jedoch von dem Journalisten zustehenden Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen. Zweiter Ermittlungsschritt: Der Staatsanwalt erwirkte beim Amtsgericht einen Durchsuchungsbeschluß. Dieser wurde am vergangenen Freitag von der Kripo nur deshalb nicht vollstreckt, weil ihr im Hause Bild ein verschlossener Umschlag mit Namen und Anschrift des Reporters zugesteckt wurde. „Der Durchsuchungsbeschluß“, empörte sich Springer-Rechtsvertreter Jochen Wilde gestern gegenüber der taz, „ist eine unverhältnismäßige, grob rechtswidrige Reaktion.“ Der Verlag habe deshalb gestern beim Generalstaatsanwalt des Landgerichts Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluß eingelegt und um Rückgabe des versiegelten Umschlags ersucht.
Daß der Fall gestern auf die Tagesordnung des Rechtsausschusses gelangte, ist auf den CDU-Abgeordneten Andreas Gram zurückzuführen. Er müsse sich über dieses „ausgesprochene Possenstück“ doch sehr wundern. Bei der Bekämpfung Organisierter Kriminalität bringe die Staatsanwaltschaft nicht so einen Elan auf wie für eine Richterkollegin.
Am Rande bemerkt: Die Hütchenspieler sind das Steckenpferd der CDU, und die Konservativen hackten deshalb auch schon auf der betreffenden Richterin herum. Doch diesmal schlossen sich SPD und Bündnis 90/Grüne der CDU- Justizschelte an. Der Grünen-Abgeordnete Albert Eckert mochte sich allerdings nicht den dezenten Hinweis verkneifen, daß das Gebot der Zurückhaltung „für alle Presseorgane“ gelte.
Das Fazit: Nach Abschluß des Ermittlungsverfahrens wird der Rechtsausschuß einen Prostestbrief an die Justizverwaltung schicken. In diesem soll deutlich zum Ausdruck gebracht werden, daß man es nicht billigt, wenn die Justiz auf diese Weise in eigener Sache gegen die Presse vorgeht. Plutonia Plarre
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