Mahnwache für Künstler Ai Weiwei: Solidarisches Theater

Das Bremer Theater organisiert eine 24-stündige Mahnwache für den verhafteten Künstler Ai Weiwei. Nach einer Ära der VIP-Bereiche und Premieren-Fahrzeugflotten besinnt es sich damit nicht zuletzt auf die eigenen Möglichkeiten.

Gefangenenchor und Bühnenbild: Auf dem Bremer Goetheplatz. Bild: Klaus Wolschner

BREMEN taz | Draußen war das Bühnenbild aufgebaut, kurz nach 12 Uhr sang der Chor den "Gefangenen-Chor" aus Verdis Oper "Nabucco", dann trug ein Ensemble-Mitglied die Erklärung der Menschenrechte vor: Zu einer besonderen Vorstellung lud am Dienstag das Bremer Theater - den Auftakt einer 24-stündigen Mahnwache. Das Bühnenbild stammt vom chinesischen Künstler Ai Weiwei, und genau die Forderung nach dessen Freilassung sollte die Mahnwache unterstreichen.

Ai Weiwei hat hin und wieder agiert, als gebe es die Menschenrechte auch in China: Er hat sich an der Sammlung der Namen von den Kindern beteiligt, die 2008 bei dem Erdbeben ums Leben gekommen sind. Aus Protest gegen die Internet-Zensur, die in China mit dem Kampf gegen Pornografie begründet wird, veröffentlichte er im Internet ein Video von sich: nackt, nur von einem Teddy bedeckt. Vor einer Woche wurde er festgenommen, Aufenthaltsort unbekannt.

2009 war Weiwei in Bremen und fertigte zwei Bühnenbilder für das dortige Theater an. Dessen "Leitungsteam" wiederum konzipierte nun die Solidaritäts-Aktion. "Es gibt keine nicht-politische Arbeit im Theater", sagt Marcel Klett, leitender Dramaturg des Bremer Schauspiels. "Alles andere wäre reine Unterhaltung, das können andere besser - etwa das Kino."

Als Weiwei damals in Bremen war, trug er noch einen Verband um den Kopf - er war in China von Polizisten zusammengeschlagen worden. Hans Georg Wegner, Chefdramaturg der Oper, erinnerte am Dienstag daran, wie Weiwei den Bremer Theaterleuten damals erklärt habe, für ihn gebe es "keinen Unterschied zwischen dem Künstler und dem politischen Menschen": Es gehe ihm im Leben wie in der Kunst um "Wahrheit".

Geboren worden war die Idee für die 24-Stunden-Aktion vergangenen Donnerstag bei der Eröffnung einer Ausstellung in der Theatergalerie. Deren Leiterin Annette Schneider hatte seinerzeit den Kontakt zu Ai Weiwei hergestellt. Für das Theater selbst ist die Aktion etwas Besonderes: Jahrelang, unter dem Intendanten Hans-Joachim Frey, hatte das Haus sich als Treffpunkt der Reichen und Schönen zu inszenieren versucht. Porsche-Chef Wendelin Wiedeking sponserte für das "Marie Antoinette"-Musical eine kleine Fahrzeugflotte, um damit Premierengäste vierhundert Meter weit zur Premierenfeier zu kutschieren. Dass Theater auch etwas Politisches sein könnte, störte das Marketing-Modell des Intendanten - der am Ende über das hinterlassene Defizit stolperte.

Seit Freys Abgang gibt es am Bremer Theater, interimsweise, ein kollegiales Leitungsmodell, das Theater auch stark als politische Veranstaltung sieht. Die Solidaritätsaktion vom Dienstag - aber auch das Engagement, mit dem sie umgesetzt wurde -, "ist auch Ausdruck des neuen Leitungsmodells", sagt Wegner. Früher habe der politische Aspekt des Theaters "im Schatten von anderen Dingen" gestanden. Wegner selbst, aufgewachsen in einem Pfarrershaushalt bei Dessau, war 21, als 1989 die Mauer fiel. Wie wichtig die Öffentlichkeit der Westpresse für die Menschen in der DDR gewesen sei, daran erinnere er sich noch gut.

"Menschenrechtsverletzungen sind kein Kavaliersdelikt", sagte zur Eröffnung der Mahnwache Bremens Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz und erinnerte an die vielen Namenlosen, die - nicht nur in China - politisch verfolgt werden. Amnesty International sammelte Unterschriften für Ai Weiwei. "Es wäre besser, wenn die deutsche und die europäische Kritik an Menschenrechtsverletzungen nicht immer so verdruckst ausfiele", sagte die Grünen-Europaabgeordnete Helga Trüpel - mit Verweis auch auf den jüngsten China-Besuch des Bundesaußenministers.

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