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Magnetbahn: Der Tiefflieger auf Stelzen

Anhörung der niedersächsischen SPD zur Magnetbahn „Transrapid“ Hannover-Hamburg / Unwirtschaftliche und umweltfeindliche Konkurrenz zur Bundesbahn / Niedersachsens Sozialdemokraten verabschieden sich vom „Transrapid„-Projekt  ■  Aus Hannover Jürgen Voges

Die zwischen Hamburg und Hannover geplante „Transrapid„ -Strecke geht auf 68 von insgesamt 154 Kilometern durch unseren Landkreis Soltau-Fallingsbostel“, so leitete Oberkreisdirektor Klaus Schuhmacher am Montag im niedersächsischen Landtag sein Statement zu Ernst Albrechts Lieblingsprojekt der Magnetschnellbahn „Transrapid“ ein. Der Landkreis Soltau-Fallingsbostel ist fest in der Hand der CDU, und zu der Anhörung im Landtag hatte die SPD eingeladen, doch Schuhmacher sah für seinen Landkreis „keinen Vorteil, sondern nur Lasten“ durch die geplante „Transrapid„-Strecke. Bei einem Bau der Magnetbahn würde der Kreis alle sieben Minuten durch einen kilometerbreiten Lärmteppich belastet. Der Geräuschpegel sei „nur mit einem niedrig fliegenden Düsenflugzeug zu vergleichen“.

„Wer Wirtschaftlichkeit, Umweltverträglichkeit, Komfort und Geschwindigkeit vereinen will, der braucht als neues Verkehrsmittel den „Transrapid“, so pries auf der Anhörung als erstes der Sprecher der Thyssen AG, Lutz Dreesbach, seine „Fortentwicklung der 150 Jahre alten Eisenbahn“ an. Doch in der weiteren Diskussion war es gerade das unter der Federführung der Thyssen AG erarbeitete Konzept der sogenannten „Anschubgruppe“ für die beiden „Transrapid„ -Anwendungsstrecken „Hamburg-Hannover“ bzw. „Essen-Bonn“, das von Verkehrswissenschaftlern, Umweltschützern, Kommunalpolitikern und selbst von der Industrie und Handelskammer Hannover-Hildesheim massiv kritisiert wurde.

Eine Nachfrage nach etwa sieben Millionen „Transrapid„ -Fahrten jährlich hat die Anschubgruppe für eine die Strecke vom Hauptbahnhof Hamburg über die Stationen Hamburg-Maschen und den Flughafen Hannover-Langenhagen bis zum Hauptbahnhof Hannover errechnet. Die Haltezeiten an den beiden Stationen unterwegs nicht eingerechnet, soll der 500 Kilometer schnelle „Transrapid“ für die Strecke lediglich 29 Minuten brauchen. 4,1 Milliarden Mark müßten nach dem Thyssen -Gutachten für eine solche Strecke investiert werden, wovon allerdings gut drei Milliarden durch zinslose Kredite des Bundes aufgebracht werden sollen.

Kritik an dieser Rechnung kam am Montag als erstes von der Bundesbahn. Der Präsident der Bundesbahndirektion Hannover, Werner Remmert, sprach von zusätzlichen Verlusten bis zu einer Höhe von 100 Millionen Mark, die sein Unternehmen durch eine Magnetbahn Hamburg-Hannover erleiden werde. Die Masse der Reisenden, über sechs Millionen, sollten nach dem bisherigen Konzept von der Schiene auf die Magnetbahn verlagert werden. Der „Intercity Experimental“ (ICE), der die Strecke zwischen Hannover und Hamburg ab 1990 in ebenfalls nur 44 Minuten befahren soll, könnte dann statt alle zwei Stunden fünfmal, nur einmal in der Stunde verkehren. Erhebliche Zweifel an den für den „Transrapid“ prognostizierten Fahrgastzahlen meldete allerdings der hannoversche Verkehrswissenschaftler Professor Rolf Kracke an. Etwa 23.000 Reisende täglich sollen den Planungen zufolge den „Transrapid“ benutzen. Nach Angaben von Professor Kracke fahren zur Zeit allerdings nur 1.000 Bahnreisende täglich direkt von Hannover nach Hamburg und haben nicht weiter entfernte Ziele. Weil sie in Hamburg oder bzw. Hannover umsteigen müßten, würden zukünftige „Transrapid„-Reisende die Viertelstunde wieder verlieren, die der „Transrapid“ schneller sei als der ICE. „Woher sollen die „Transrapid„-Reisenden kommen?“ fragte der Professor, zumal sie in der Magnetbahn auch noch einen gegenüber der Bundesbahn um 80 bis 90 Prozent höheren Preis zahlen sollen.

Selbst die Vertreter der Firma Thyssen haben auf der Anhörung in Hannover die Lärmbelastung, die es noch zu vermindern gelte, als gravierendste Folge des Magnetbahnbetriebes für Mensch und Umwelt bezeichnet. Bei einer Geschwindigkeit von 400 Kilometern, die der „Transrapid“ auf zwei Dritteln der niedersächsischen Strecke überschreiten soll, erzeugt der Magnetzug einen Geräuschpegel von über 90 Dezibel, wo er die 500 Kilometer pro Stunde erreicht, sind es gar 100 Dezibel mehr, was einer Verdoppelung des Lärms entspricht. Um den in der Nähe von Wohngebieten geltenden Lärmgrenzwert von 55 Dezibel einzuhalten, müsse man die Magnetbahn mit sicherlich teuren „Lärmwällen oder - Wänden, Tunneln oder auch einer Deckelung“ ausstatten, erklärte am Montag ein Vertreter des Umweltministeriums. Offen blieb allerdings die Frage, wie man die Lärmgrenzwerte auf den Streckenabschnitten einhalten kann, in denen die „Transrapid„-Trasse auf Betonstelzen durch die Landschaft geführt werden soll. Auch genaue Daten über die Schallemissionen des „Transrapid“ liegen dem Umweltministerium in Hannover überhaupt noch nicht vor. Zwar hat das Ministerium den TÜV Hannover beauftragt, entsprechende Messungen an der „Transrapid„-Versuchsstrecke im Emsland durchzuführen. Doch nachdem dort einige Bolzen an den Magnetschienen gebrochen waren und sich Risse in Betonpfeilern gezeigt hatten, lag im Emsland der Fahrbetrieb bis gestern gänzlich still. Auch jetzt noch ist es noch gänzlich ungewiß, wann auf der Teststrecke wieder hohe Geschwindigkeiten gefahren werden dürfen.

Als der niedersächsische Landtag im vergangenen Jahr eine erste Resolution zugunsten des „Transrapid“ verabschiedete, hat auch die SPD-Fraktion zugestimmt und selbst noch eine vorherige Ausschußberatung des Antrages verhindert. Doch jetzt scheinen die niedersächsischen Sozialdemokraten, anders als ihre Genossen in Hamburg und in Nordrhein -Westfalen, gerade noch rechtzeitig umzuschwenken. Ende der vergangenen Woche hat die hannoversche SPD sich gegen den „Transrapid“ ausgesprochen, und nach der Anhörung im Landtag sah auch der Abgeordnete Wolfgang Senff, verkehrpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, „in Niedersachsen wirklich keine Chancen mehr für das System“.

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