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MagazineNo more "Facts"

Das einzige deutschsprachige Nachrichtenmagazin der Schweiz wird eingestellt. Der Verlag hatte ohnehin kaum noch Interesse daran gezeigt.

Pietro Supino (l.), Vorsitzender von Tamedia, freut sich über die Fusion mit Espace Media

GENF taz Dem Zürcher Tagesanzeiger, von seinem Herausgeber gern als "Flaggschiff" der Tamedia, des zweitgrößten Schweizer Verlagshauses bezeichnet, war die am Mittwochabend getroffene Entscheidung der eigenen Verlagsspitze gestern nur eine kleine, verschämte Meldung auf Seite 25 wert: Zum Monatsende stellt die Tamedia Facts ersatzlos ein, das einzige deutschsprachige Nachrichtenmagazin der Schweiz.

Für die betroffenen 64 MitarbeiterInnen auf 53 Vollzeitstellen "wird nach anderen Arbeitsstellen innerhalb der bestehenden Medien und geplanten Projekte von Tamedia gesucht", lässt das Verlagshaus in einer offiziellen Mitteilung verlauten. Zur Begründung für die Einstellung der in Inhalt und Aufmachung zwischen den deutschen Vorbildern Spiegel und Focus angesiedelten Zeitschrift heißt es, Facts habe "in den zwölf Jahren seines Bestehens lediglich in einem Jahr keine Verluste geschrieben". Nach verlagsinternen Informationen machte Facts von 1995 bis Ende 2006 insgesamt rund 100 Millionen Franken (zirka 60 Millionen Euro) Verluste. Im ersten Halbjahr 2007 kamen dazu etwa 8 Millionen Franken Schulden hinzu. Zu Spitzenzeiten im Jahre 1999 lag die verkaufte Auflage bei rund 100.000 Exemplaren und die Zahl der LeserInnen bei etwa 600.000 - heute bei 73.000 respektive 450.000.

Trotz dieser Zahlen vermag die offizielle Einstellungsbegründung weder die Facts-Redaktion noch BeobachterInnen der Schweizer Medienszene zu überzeugen. Denn eine verkaufte Auflage von 73.000 und eine LeserInnenschaft von 450.000 sind immer noch sehr beachtliche Zahlen angesichts einer Deutschschweizer Bevölkerung von lediglich rund 4,8 Millionen Menschen. Doch die Konkurrenz bei den Wochenmedien ist hart: die ebenfalls von der Tamedia herausgegebene Sonntagszeitung, Die Weltwoche und die seit 2005 erscheinende Sonntagsausgabe der Neuen Zürcher Zeitung.

Dass die Tamedia vor anderthalb Jahren den Chefredakteur der eigenen Sonntagszeitung, Andreas Durisch, zusätzlich zum Facts-Chef berief, galt manchen Redaktionsmitgliedern bereits als Indiz für mangelndes Interesse des Verlags am Überleben des Nachrichtenmagazins. Unter Durisch, mit rund 300.000 Franken Jahreseinkommen der höchstbezahlte Journalist der Schweiz, verflachte Facts zunehmend zum Magazin für Lifestyle und Gesellschaftsklatsch.

Mit einem Rekordgewinn von rund 200 Millionen Franken im Jahr 2006 (bei einem Umsatz von 723 Millionen) hätte der Verlag die Verluste von Facts zwar durchaus weiterfinanzieren können. Doch der seit Frühjahr amtierende neue Verleger setzte andere Prioritäten: Beteiligung an und Kontrolle über deutschsprachige Tageszeitungen außerhalb des Großraums Zürich. In einem ersten Expansionsschritt erwarb die Tamedia Ende Mai 80 Prozent der Berner Espace Media Groupe, die die Berner Zeitung und den Berner Bund herausgibt.

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