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■ Männerjustiz, FrauenrechteJustitias mißratene Töchter im „Streit“

„Recht produziert und reproduziert eine ganz besondere Welt, in der die Erfahrungen von Frauen außen vor bleiben. Recht bringt Frauen nicht ausdrücklich zum Schweigen. Dafür besteht keine Notwendigkeit, weil Frauen schon vorher innerhalb der Gesellschaft zum Schweigen gebracht worden sind.“ Starker Tobak für eine Justiz, die am Dogma festhält, daß alle Menschen vor Gericht gleich sind. Erhoben wird der Vorwurf von Frauen, die das Rechtssystem aus eigener Anschauung kennen. Sie wissen, daß Justiz nicht nur der Gerechtigkeit und der Konfliktregelung dient, sondern auch der Durchsetzung von Macht: Juristinnen, die seit nunmehr 12 Jahren die feministische Rechtszeitschrift „Streit“ in Bremen herausgeben und sich stolz „Justitias mißratene Töchter“ nennen.

Denn Frauen, soviel ist den Macherinnen von „Streit“ klar, werden vom Rechtssystem benachteiligt: Da urteilt der Bundesgerichtshof, die Blockade von Straßenbahnschienen sei Gewalt, das Festhalten einer Frau im Auto aber nicht. Da werden Menschen auf Teilzeitarbeitsplätzen benachteiligt – und 90 Prozent dieser Menschen sind Frauen. Da urteilen ab und zu Gerichte positiv für Frauen – und in den juristischen Kommentaren werden diese Entscheidungen totgeschwiegen. „Recht hat Macht, wo es Männer von Verantwortung befreit, Belästiger in Ruhe läßt“, heißt es in „Streit“. „Recht steuert, wenn eine Abtreibung nicht, nur teuer oder nur woanders zu haben ist oder wenn es Vergewaltigung in der Ehe nicht sieht.“

Mit dieser speziellen Form von juristischer Blindheit sollte 1983 Schluß sein, beschlossen die Mütter von „Streit“. „Keine männliche Zensur unserer unjuristischen, unwissenschaftlichen und für die Allgemeinheit uninteressanten Minderheitenpositionen mehr“, forderten sie. Wer die staubtrockenen Hilfsbibeln der Juristerei, die großen Zeitschriften wie die „Neue Juristische Wochenschrift“ kennt, wundert sich über Auswahl und Parteilichkeit der Zeitschrift. Behandelt wird vor allem Familienrecht, Strafrecht (Vergewaltigung und Abtreibung), öffentliches Recht (Gleichstellungsfragen) und Arbeitsrecht. Urteile, in denen Frauen ihre Rechte erstritten haben, finden sich in „Streit“ neben Buchrezensionen, theoretischen Aufsätzen zum Thema feministische Justiz und auch mal einer geharnischten Kritik an der als „heuchlerisch“ empfundenen Rechtsprechung des BGH. „Entscheidungen, die negativ für Frauen ausgehen, veröffentlichen wir nicht“, meint Sabine Heinke, „Streit“-Redakteurin und Richterin in Bremen. „Die stehen zur Genüge in den anderen Zeitschriften.“

1.300 Abonnentinnen hat die vierteljährlich erscheinende Zeitschrift, Geld gibt es weder für das Redaktionsteam noch für die Autorinnen. Das Heft mit dem lila Umschlag ist inzwischen von vielen Bibliotheken und Gerichten abonniert. Das heißt aber nicht, daß es auch gelesen und beachtet wird: Im Kommentar „Palandt“, der Autorität für das Familienrecht, tauchen manche der von „Streit“ verbreiteten Entscheidungen nicht auf.

Der Anteil der Frauen in der Justiz wächst: Im Studium betrug er 1991 45 Prozent, bei den RichterInnen 19 Prozent, in der Staatsanwaltschaft 19 Prozent. Die Juristinnen versuchen, mit den männlich dominierten Gesetzeswerken größere Freiheiten für Frauen zu erreichen. Ein Sonderrecht für Frauen könne es nicht geben: „Das Recht ist nicht der Hebel zur gesellschaftlichen Veränderung“, sagt Heinke. „Als Richterin muß ich manchmal eben auch frauenfeindliche Entscheidungen fällen“.. Auch „Streit“ ändert nichts am System der herrschenden Meinung: „Neue Themen können wir gut besetzen“, sagt Heinke. „Aber seit Jahren schreiben wir, daß der §218 weg muß und nichts geschieht. Da steht zuviel Politik dagegen. Die Gegenseite schläft eben auch nicht.“ bpo

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