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Männerängste

■ Betr.: „Männerwelten brechen zu sammen“ von Mechtild Jansen, taz vom 21.12.93

[...] Mechtild Jansen hat ja völlig recht, Arbeit muß anders verteilt, Männer müssen ihre personale Identität auch noch an anderen Werten orientieren lernen. Stimmt alles. Was aber immer wieder übersehen oder gar nicht zur Kenntnis genommen wird: Frauen auch.

Es reicht – sicher nicht nur mir – schon lange nicht mehr, daß Frauen aus dem eingefrästen Betriebssystem Opfer-DOS heraus stets Forderungen stellen, ohne selbstkritische Einstellung. Darüber liest man nirgends etwas. Scheint sozusagen schwebende Norm der Tabuisierung zu sein. Alles ganz wunderbar? Wirklich. Ähnliche Gedankengänge wie von Frau Jansen tauchen seit zig Jahren immer wieder in irgendwelchen anderen Magazinen auf.

Schon seit den Jahren 78/79, und wo verstärkt in jüngster Zeit die Wirtschaft rationalisiert wird wie verrückt, wo ganze Arbeits- und Produktionsbereiche ins asiatische und europäische Ausland exportiert werden, wo akademisch Hochqualifizierte längst von existentieller und materieller Unsicherheit bedroht sind, da finde ich weit und breit in der Frauenoptik nicht den Ansatz ihres – oft fälschlich angedichteten – Einfühlungsvermögens für Männerängste um vermeintlichen Job- und Machtverlust. Als ginge es nur darum. Frau Jansen schnitt das Thema Identität an, dachte es aber nicht zu Ende, sie schnitt das Problem fürsorgender Männer für den abstrakten Idealfall gleichwertiger Beziehungen an, dachte es aber nicht zu Ende. Es offenbart zugrundeliegende mechanistische Vorstellungen: Als würden sich via Umverteilung von Arbeit und Einkommen auch emotional tiefsitzende Rollenverkrustungen von Mann und Frau dadurch folgerichtig mitverändern. Das erinnert mich doch allzu stark an das Menschenbild des ehemals real existierenden Sozialismus. [...] Änderungen laufen eben leider nicht auf allen Ebenen funktional konform und so schön ordentlich. Es hat sich auf beiden Seiten so gut wie nichts bewegt im Bereich des Privaten. [...] Jürgen E. Gesang, Hamburg

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