: Männer in die Zwangsberatung!
■ betr.: "Kinderkriegen ist Männersache", von Willi Hoss, taz vom 1.8.90
betr.: „Kinderkriegen ist Männersache“ von Willi Hoss,
taz vom 1.8.90
Es ist schön, daß Willi Hoss lovely Rita in ihrer Intention unterstützen will. Aber offenbar hat er ihre Intention doch nicht so genau durchschaut: Zwangsberatung, danach (vermeintlich freie) Entscheidung der Frau. Aber nur bis hierher hat unser Willi mitgedacht! Was passiert nämlich, wenn eine Frau nicht zur Beratung geht? Dann wird sie (nach Süssmuths Vorstellung) doch wieder bestraft. Wofür dann die ganze Zwangsberatung? Es soll ja Frauen geben, die auch ohne Beratung wissen, daß sie eine Schwangerschaft nicht wollen.
Aber, da ja die Männer ohnehin über die Frauen mitentscheiden, wie Willi Hoss es sieht, warum sollen dann eigentlich nicht die Männer in die Zwangsberatung? Man könnte sie dort über Verhütungstechniken aufklären, zum Beispiel!
Beim weiteren Lesen des Artikels haben wir den Eindruck, daß Willi Hoss doch irgendwie für die Selbstbestimmung der Frauen ist, aber offenbar nur innerhalb einer Frist. In der neuen deutschen Verfassung hieße es dann - folgt frau seinen Ausführungen aufmerksam - offenbar: „Jede Frau hat das Recht auf Selbstbestimmung - befristet.“
Es ist außerordentlich bedauerlich, daß Willi auf seinem vorgeschlagenen Treffen uns feministische Spezialistinnen nicht haben will. Wir könnten den Männern eine fertige Analyse ihres von Willi festgestellten Verhaltens („männlicher Opportunismus“, „geheuchelte Unterstützung für Frauen“) zur Verfügung stellen und ihnen so viel Zeit sparen. Wir schlagen vor, daß sie die so gesparte Zeit dafür verwenden, sich über ihre eigene Gewalttätigkeit Gedanken zu machen.
Barbara Böttger, Maria Brosch, Jutta Dalhoff, Iris Gause, Gaby Peter, Claudia Pinl, Christiane Tillner, Karin Trepke (Mitarbeiterinnen im AK Frauenpolitik der grünen Bundestagsfraktion)
Mann Willi! „Frauen kriegen Kinder, Männer kriegen Haarausfall“, singt Herbert Grönemeyer. Viele Frauen kommen mit ihrer Potenz zum Kinderkriegen nicht klar - meint Vater Staat und reguliert die Verfügung der Frauen über ihren Körper strafrechtlich. Auch Willi Hoss meint, den Frauen sagen zu müssen, was für sie das Beste ist. Viele Frauen, insbesondere die „feminstischen Spezialistinnen“, haben nämlich noch nicht begriffen, daß eine „ganz große Koalition“ für den Vorschlag von Rita Süssmuth zur Regelung des Paragraphen 218 notwendig ist. Deshalb will er jetzt unter Männern für die Fristenregelung werben.
Willi Hoss schreibt, daß er in der Frage des Paragraphen 218 - wir erlauben uns anzumerken: auch in anderen Fragen „nicht mehr bereit ist, seine eigene Haltung durch knappe Mehrheitsentscheidungen auf Parteitagen festlegen zu lassen“. Diese „knappe Mehrheit“ für die ersatzlose Streichung des Paragraphen 218 betrug auf der Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen in Hagen cirka 95 Prozent. Bei uns ist der Werbefeldzug von Willi Hoss schon zum Auftakt fehlgeschlagen. Sein „Aufruf“ ist der Ruf eines klassischen Patriarchen, der weiß - und deshalb entscheiden will - was für Frauen gut und richtig ist. Für eine solche Männerpolitik sind wir nicht zu haben. Wir treten weiterhin für die ersatzlose Streichung des Paragraphen 218 und gegen jede Fristenregelung - auch eine ohne Zwangsberatung - ein. (...)
Norbert Franck, Pressesprecher, Axel Vogel, Vorstand die Grünen
(...) Zu einem wesentlichen Argument werden für Hoss die politischen Kräfteverhältnisse, mit denen er gemeinsam einen „großen Konsens“ zur Lösung der Abtreibungsfrage schaffen will. Grüne Männer als Konsensschaffer zwischen SPDCDU- und so weiter Männern. Verzicht auf wesentliche Argumente, Hauptsache Konsens? Die Ausgrenzung der „feministischen Spezialistinnen“ läßt keinen anderen Schluß mehr zu. (...)
Daß er von „geheuchelter Unterstützung“ der Männer spricht, deutet nur darauf hin, daß er sich den Argumenten der grünen und anderer Frauen verschlossen hat. Männer müssen endlich begreifen, daß Frauen allein aus dem Grund, daß sie die Folgen einer Fortpflanzung zu tragen haben, auch die Entscheidung für oder gegen dieselbige treffen müssen, daß nur über die Aufklärung von Folgen und Wirkungen von Verhütungsmitteln, eine freiwillige Beratung, Verbesserung des sozialen Umfeldes für Frauen mit Kindern und so weiter, Einfluß auf die Abtreibungsrate genommen werden kann, daß das Embryo als Rechtssubjekt unnatürlich und frauenfeindlich ist und nur der Menschenforschung und -züchtung zugute kommt, daß Frauen zu diesen Fragen mehr Ahnung haben und Mann sie ruhig mal fragen kann und nicht ausgrenzen darf.
Den einzigen Konsens, den es mit den Grünen geben darf, ist eine Fristenlösung nach zwölf oder 24 Schwangerschaftswochen. Was es nicht mehr geben darf bei der Fristenlösung ist eine Unterscheidung zwischen behinderten, gesunden und kranken Embryonen. Das könnten noch ein paar mehr als die Männer lernen. (...)
Klaus Hoppe, Sprecher der Grünen im Ortsverein Rheinbach
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