: Machtprobe im Sternipark
■ Alternativer Kindergarten-Träger kündigt Eltern und Erzieher Von Kaija Kutter
Ein ehrgeiziges Ziel hat sich der alternative Träger „Kinderhaus Sternipark“ gestellt. Bis zum Jahr 2000 will er 1000 Kindergartenplätze schaffen. Doch die Ereignisse der vergangenen Wochen im Kindertagesheim in der Goethestraße weisen in eine andere Richtung. Zur Zeit baut der Verein scheinbar eher Plätze ab als auf.
So in der „Dino“-Gruppe der vierjährigen Kinder. Von einem Tag zum anderen wurden dort Anfang Juli zwei Erzieherinnen gekündigt, ohne die Kinder darauf vorzubereiten und die Eltern vorher zu informieren. Glaubt man den Schilderungen der betroffenen Eltern, so war für die folgende Woche nicht mal für Ersatz gesorgt. Die Eltern dieser Gruppe gingen auf die Barrikaden, beschwerten sich beim Verein, beklagten sich auf dem Gesamtelternrat. Folge: Tags drauf wurden auch drei der Elternpaare die Betreuungsverträge gekündigt. Ein für die alternative Kinderladen-Szene in dieser Form einmaliger Vorgang.
Die Eltern hatten eine Klärung der Kündigungsgründe gefordert, waren sie doch mit den Betreuerinnen sehr zufrieden gewesen. Ihr Vorschlag: Die fristlosen Kündigungen sollten für vier Wochen zurückgenommen werden und in dieser Zeit mit Hilfe einer Supervision geklärt werden, ob die Erzieherinnen und die pädagogische Leitung des Heims nicht doch zueinander finden könnten. Doch die Elternvertreter liefen bei Gesprächen mit dem Vereinsvorstand gegen eine Wand. Die Erzieherinnen hätten Kinder der Gruppe diszipliniert, was nicht mit dem pädagogischen Konzept des „Kinderhaus Sternipark“ zu vereinbaren sei, erklärte die pädagogische Leiterin Gaby Kaufer.
„Ich habe bis zum Schluß nie Kritik an meiner Arbeit gehört“, versichert dagegen die gekündigte Erzieherin Karin S.. Im Gegenteil, als sie die Gruppe im Februar übernommen hatte, sei die Stimmung in der Kindergruppe außerordentlich aggressiv gewesen. „Ich habe ganz klar beim Einstellungsgespräch gesagt, daß ich ein paar Regeln einführen werde. Da wurde von Vereinsseite nichts gegen eingewandt.“ So habe sie sich durchaus eingemischt, wenn stärkere Kinder schwächere verprügelten, was vorher im Hause nicht üblich gewesen sei. Auch hatte sie auf Anregung der Eltern eingeführt, daß die Kinder sich zum Essen gemeinsam zu Tisch setzen. Auch das war im pädagogischen Konzept nicht vorgesehen.
In arbeitsrechtlichen Fragen war die erfahrene Erzieherin hingegen sehr oft mit dem Verein aneinandergeraten. So leistet sich „Sternipark e.V.“ einen Pressesprecher, für die versprochene Springkraft für Krankheitsfälle ist jedoch kein Geld da. „Ich war eine von denen, die am meisten den Mund aufgemacht haben“, sagt Karin S. Wenn sie nicht vor Ablauf der Probezeit gekündigt worden wäre, hätte sie sich für die Gründung eines Betriebsrats interessiert.
Sei's drum. Mit der Ad-hoc-Kündigung hat der Verein eine Eskalation bewirkt, an dessen Ende die „Dino“-Gruppe nahezu aufgelöst ist. Da die übrigen Eltern ihre Kinder aus Protest abmeldeten, sind von 16 Kindern nur noch vier übrig. „Im ganzen Haus hat sich eine Athmosphäre der Angst eingestellt“, schreibt der Vater Florian Becht in einem Offenen Brief. Erzieher hätten Angst um ihre Stellungen, trauten sich nur noch hinter vorgehaltener Hand ihre Meinung zu sagen, Eltern hätten Angst, die Betreuungsplätze für ihre Kinder zu verlieren.
Helle Stehn, Mutter in der „Pinguin“-Gruppe, hat sich eigens beim Amt für Soziale Dienste erkundigt, ob auch ihr der Vertrag gekündigt werden könnte. Denn auch ihre Gruppe liegt seit Monaten im Clinch mit dem Verein, der sich das hehre Ziel gesetzt hat, möglichst viele Hamburger Kinder mit Sternipark-Pädagogik zu beglücken. Das Essen für die 146 Kinder kommt per Taxi aus einem italienischen Restaurant. Doch Calamaris-Ringe, fette Nudelsoßen und mit Industriezucker gesüßte Nachspeisen, so fanden die Eltern der Pinguin-Gruppe, seien für ihre 1 bis 2 Jahre alten Kinder eine Überforderung.
Die Eltern machten Gegenvorschläge, eine Vollwertküche hätte das Essen billiger liefern können, eine Mutter erbot sich gar, für die ganze Gruppe zu kochen. Der Konflikt eskalierte soweit, daß die Pinguin-Gruppe für vorigen Montag ankündigte, auf eigene Faust Vollwertessen zu bestellen. Der Verein Sternipark reagierte mit routinierter Hilflosigkeit: Den Erzieherinnen wurde vorsorglich per Dienstanweisung untersagt, dieses Essen an die Kinder auszuteilen.
„Einzellösungen gehen in einem Trägermodell nicht“, rechtfertigt Sternipark-Sprecher Georg Müller diesen Schritt. Man habe die Kritik der Eltern weitergegeben, sogar eigens eine Pürier-Maschine gekauft, aber letztlich müsse es doch Wichtigeres gegen, als über „fette Hähnchenschenkel und Spargellängen zu diskutieren“. Müller, der die undankbare Aufgabe hat, die Sternipark-Politik nach außen zu verkaufen, räumt ein, daß es „letzlich um eine Machtprobe geht“. Ist doch der Sternipark keine überdimensionale Elterninitiative, sondern ein Träger, in dem eine gleichberechtigte Mitbestimmung von Eltern und Beschäftigten ausdrücklich nicht vorgesehen ist.
Die Eltern dürfen zwar den Förderbeitrag zahlen und unentgeltlich putzen und renovieren. In den entscheidenden Fragen, wie Personalpolitik, Pädagogik, Ernährung und Verteilung der Sachmittel haben jedoch nur die zwölf „aktiven Vereinsmitglieder“ das Sagen, die wiederum selbst entscheiden, wer in diesen erlauchten Kreis aufgenommen wird. Eine Vereinsstruktur, die scheinbar noch nicht der Weisheit letzter Schluß ist. Sonst würde nicht geschehen, worüber laut Müller in der Goethestraße keiner so recht glücklich ist: daß nämlich Eltern plötzlich nicht mehr in der Behörde, sondern im Verein das Feindbild sehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen