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■ Warum aktiv werden?Machtlosigkeit oder Faulheit

Hans-Jürgen Nietz, 70 Jahre, Pensionär

Die Leute sehen, daß sich nichts verändert, auch wenn sie sich für etwas einsetzen. Da werden sie natürlich müde und gleichgültig. Es wird ja immer beklagt, daß öffentliche Mittel fehlen. Würde man die Mittel aber richtig verteilen, gäbe es schon genug. Bei den Schaffnern wird gespart, und die Leute, die oben sitzen verdienen Hunderttausende. Wozu sollen sich die Leute denn da noch engagieren?

Sabine Lakroucha, 33 Jahre, Restaurantfachfrau

Was der Senat will, wird sowieso durchgesetzt. Ob man zehn Unterschriften sammelt oder zehntausend. Das sieht man zum Beispiel beim Monbijou-Bad. Ich habe unterschrieben, wo die Listen auslagen. Aber da wird einfach gesagt, die Bäder rentieren sich nicht mehr und werden zugemacht. Durch so was ziehen sich die Leute in die eigenen vier Wände zurück oder ziehen ganz weg.

Jörg Isenhardt, 30 Jahre, Stadtsoziologe

Das Thema ist mein Beruf. Ich glaube überhaupt nicht, daß alles dreckiger oder unsicherer in der Stadt geworden ist. Vieles wird durch die Medien impliziert. Ich kann auch nicht feststellen, daß die Bürger weniger tun. Das war vielleicht früher mehr, als Berlin noch eine Insel war und die Bürgerinitiativen ihre Schäfchen im eigenen Kiez ins trockene bringen und viele Fördergelder abgreifen konnten.

Hildegard Kiermeier, 67 Jahre, Rentnerin

Berlin ist heute so dreckig, das ist einmalig. Aber warum soll man irgend etwas tun, wenn es hinterher sowieso gleich wieder zerstört wird und niemand einschreitet? Seit dem Mauerfall hat sich alles hier verändert. Zu Ostzeiten gab es noch Hausgemeinschaften, die schlossen sich zusammen und machten gemeinsam einen Hausputz. Das gibt es heute alles leider nicht mehr. Man ist machtlos.

Marc Strege, 27 Jahre, Bankkaufmann

Es liegt wohl am generellen Wandel der Gesellschaft, daß sich die Leute vermehrt um sich selbst kümmern. Sie regen sich zwar auf, wenn was im argen liegt, wollen sich aber nicht persönlich engagieren. Vielleicht fehlt die Identifikation mit dem Wohnumfeld. Zum einen gibt es eine hohe Fluktuation im Bezirk, zum anderen ist man sicherlich auch einfach nur zu faul, was zu tun.

Regina Linke, 47 Jahre, Haustechnikerin

Ob Graffitis oder Altpapier, die Leute sind heute überall so gleichgültig, das ist schon fast nicht mehr normal. Ich erlebe es oft bei den jungen Leuten oder ganz Alten. Die interessiert das alles nicht. Ich habe selbst mal eine Situation im Bus erlebt. Da wurde jemandem die Handtasche geklaut. Wenn man dann nach Hilfe fragt, hat wieder mal keiner was gesehen. Warum das so ist, weiß ich aber auch nicht. Fotos: Andreas Püfke Umfrage: Sabine Kalinowski

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