MÜNKLER-WATCH, AUFMÜPFIGE STUDENTEN UND ADORNO : Dialektik des Rumnervens
DORIS AKRAP
Studenten nerven. „Rumnerver“ könnte ihre standardisierte Profilbeschreibung sein. Richtig schlimm nerven sie, wenn sie glauben, ein Naturrecht auf Ermäßigung zu haben und dafür bis vor UN-Sondergerichte gehen, wenn ihnen Schwimmbäder und Busfahrer den vollen Eintrittspreis abknöpfen wollen. Sie nerven aber vor allem, weil sie Besserwisser, Klugschwätzer und Rechthaber sind, weil sie sticheln und piksen und ständig alles infrage stellen müssen. Besonders nerven sie aber, wenn sie auch noch so was wie links sind. Dann kommt zum permanenten Fingerschnipsen auch noch der Sound der Werkstoragitation, der dem Statuseintrag als Rebell im Getriebe möglichst viele Likes bescheren soll.
Das allerdings, was linke Studenten in der vergangenen Woche über sich lesen mussten, war nicht Genervtheit. Es war Hysterie. Eine, die der um den „langhaarigen Bombenleger“ aus dem Deutschen Herbst starke Konkurrenz macht.
Der Professor für politische Theorie, Herfried Münkler, schmähte die Betreiber des „Münkler-Watch“-Blogs, in dem ihm „Extremismus der Mitte“ vorgeworfen wird, als „Denunzianten“. Er und seine Verteidiger unterstellten den Watchdogs, gar keine Studenten zu sein, sondern nur „angebliche“. „Trotzkisten“ nannte der Professor sie und die Presse wusste, dass „Linksextreme“ auf Plattformen wie Indymedia unterwegs sind, wo „Mordaufrufe und Bombendrohungen“ (FAS) verbreitet würden. Nicht schlecht. Schlechter recherchiert eigentlich nur der Verfassungsschutz, wenn es um Rechtsextreme geht.
Wie würden die Leute genannt werden, wenn herauskäme, dass hinter den „Münkler-Watch“-Bloggern ordentlich eingeschriebene, also Gebühren zahlende, inhaltlich und begrifflich vielleicht nicht besonders präzise Studenten stecken?
Aus der Hysterie um die Bombenleger-Studierenden spricht eher die Angst, dass eventuell irgendwas auch nicht ganz okay ist mit den eigenen Vorstellungen von Welt, Geschlecht, Krieg und Kapitalismus. Man ist ganz froh, wenn Akademiker den Job übernehmen, die Welt, wie sie ist, infrage zu stellen, wie es gerade der Literaturwissenschaftler Joseph Vogl vorzeigbar tut.
Mittwoch Wrusch & Ippolito Schwul & Schwuler
Donnerstag Margarete Stokowski Luft und Liebe
Freitag Heiko Werning Tiere und Wir
Montag Maik Söhler Darum
DienstagSonja VogelGerman Angst
Sand im Getriebe aber lässt sich nicht gut vorzeigen. Das knirscht. Man kann dieses Wachhundprinzip und seine polizeiliche Reflexhaftigkeit – wer Carl Schmitt zitiert, ist Fascho, wer Witze über gegenderte Sprache macht, Sexist – falsch und nervig finden. Man kann das nervtötende Kläffen aber auch zum Anlass nehmen, genauer hinzugucken, was die eigentlich für politische Theorie zuständigen deutschen Lehrstühle derzeit so an asymmetrischen Theorien zu bieten haben.
Adorno hatte es auch mit inhaltlich und begrifflich nicht sonderlich präzisen Studenten zu tun. Wenn sie es arg trieben, rief er auch schon mal die Polizei. Bis heute gibt es Leute, die sagen, dass Adorno an den Folgen des „Busenattentats“ starb. Nun, man kann sich über allerlei aufregen und daran sterben. Aber wäre es nicht eine Pflichtverletzung der Rumnerver, würden sie einem Professor für dialektisches Denken die Dialektik des Dekolletés vorenthalten? Eben.