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MOBBING: DIE INDIVIDUALISIERUNG VON RISIKEN FUNKTIONIERT NICHT IMMERWettbewerb auf die fiese Tour

Bei manchen Phänomenen ist nicht sicher, ob sie schon immer da waren oder ob sie sich erst dann, als es einen Begriff dafür gab, in der Gesellschaft ausbreiteten. „Mobbing“ ist ein solches Phänomen. Seit einigen Jahren ist „Mobbing“, also der Psychoterror gegen Einzelne im Betrieb, ein Thema auch in der Politik – und jetzt stellte das Bundesarbeitsministerium die erste repräsentative Studie dazu vor. Fazit: Die These, dass die Opfer meist selbst schuld seien an der Ausgrenzung, ist nicht mehr haltbar. Wir alle sind mögliche Mobbingopfer.

Denn der Arbeitsmarkt ist enger geworden, bei einer Entlassung sind oft hohe Abfindungen fällig. Einen Arbeitnehmer durch Psychoterror aus dem Unternehmen zu treiben, erscheint heute als eine preiswerte Möglichkeit. Schließlich enden mehr als die Hälfte der Mobbingfälle tatsächlich damit, dass das Opfer seine Arbeitsstelle räumt.

„Mobbing“ ist also nur eine Verschiebung des Verdrängungswettbewerbs auf eine psychologische Ebene – sozusagen ein Rausschmiss auf die fiese Tour. Doch das hat Folgen. Denn Leute auszugrenzen, indem man sie mobbt, ist eine besondere Form der Verdrängung. Die Gründe dieser Ausgrenzung sind schwer zu greifen und deswegen ist Mobbing schlecht für das Betriebsklima. Eine Mobbingatmosphäre erzeugt Angst und tötet die Kreativität: Beides ist schlecht fürs Geschäft.

Gut die Hälfte der Mobber sind Vorgesetzte, oft zusammen mit KollegInnen. In sozialen Berufen und beim Verkaufspersonal wird besonders häufig schikaniert, Frauen werden häufiger von Frauen als von Männern gemobbt. Die Ausgrenzungsmechanismen ziehen sich also oftmals durch die ganze Belegschaft – und damit kann jeder morgen ein Täter, vielleicht aber auch das Opfer sein. Ein sicheres Mittel dagegen gibt es nicht. Außer man geht. Aber genau das ist eben nicht immer möglich.

Die Mobbingdiskussion zeigt: Die Risiken und Nebenwirkungen des Verdrängungswettbewerbs auf dem Jobmarkt haben das öffentliche Bewusstsein erreicht. Die Individualisierung von Risiken funktioniert eben nicht immer. Und das ist gut.

BARBARA DRIBBUSCH

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