: MLPD contra „Spiegel-TV“
■ Hat Stefan Aust die Avantgarde der Arbeiterklasse verleumdet?
Düsseldorf (taz) — Für die Parteizeitung der „Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands“ (MLPD) ist der Fall klar: „Bürgerliche Massenmedien benutzen bisweilen angebliche ,Satire‘ als Deckmantel, um fortschrittliche Kräfte zu diffamieren. So im vorliegenden Fall.“
Der Fall? Am 11. Juni 1989 brachte die Sendung Spiegel-TV einen zusammengeschnittenen Beitrag über die Wahlkampfspots der Parteien zur Europawahl, zu dem es in der Abmoderation hieß: „Unser ideeller Gesamtwahlspot. Für den Inhalt sind die Parteien selbst verantwortlich. Sie haben damit lange vor Aufhebung der europäischen Zollgrenze im Jahre 1992 die Grenzen zum Schwachsinn total überschritten.“ Am Ende des Spots kommt Stefan Engel, Vorsitzender der MLPD, ohne Hinweis auf seine Partei mit der Aussage ins Bild, „erst Europa, dann die ganze Welt“.
Diese Passage hatten die Spiegel-TV-Leute aus einem Fernsehwahlspot der MLPD geklaut. Darin heißt es: „Die Thyssen, Daimler und Siemens träumen von einem Europa ohne Grenzen. Als Internationalisten sind wir schon immer für Völkerfreundschaft eingetreten. Damit haben die Pläne für eine europäische Supermacht aber nichts zu tun. Erst Europa, dann die ganze Welt: unter dieser Parole haben die deutschen Imperialisten schon zweimal einen verheerenden Weltkrieg angezettelt.“
Weil der aus dem inhaltlichen Zusammenhang gerissene Satz die Aussage von Engel „in ihr Gegenteil verkehrt“ habe, klagte der auf Unterlassung, Richtigstellung und Schadensersatz. Doch das Bochumer Landgericht wies die Klage ab. Nur bei „einer unzulässigen, isolierten Betrachtungsweise“ des Wahlspots könne das verkürzte Zitat „als verstümmelnde und sinnverdrehende Entstellung der Gesamtaussage“ von Engel angesehen werden. Der Spiegel-Spot lasse dagegen eine „Nonsens-Sequenz“, eine „unverkennbar komisch-satirische Umbildung“ erkennen. Ob das gelungen sei, könne „hier dahinstehen“, es sei auf jeden Fall zulässig. Doch die MLPD fand das überhaupt nicht spaßig. Heute entscheidet das Oberlandesgericht, ob hier der Klassenfeind übel verleumdet werden sollte oder man sich einen zulässigen Spaß erlaubte. Walter Jakobs
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