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MIT TOKIOS BÖRSE AUF DU UND DUVision einer Weltrezession

Tokios Crash auf Raten zeigt international Wirkung  ■ Aus Tokio Georg Blume

Allmählich geht es ums Ganze. Denn die Tokioter Börse fällt und fällt. Was bisher wie eine gesunde Abmagerungskur nach allzu fetten Jahren aussah, bekommt plötzlich alarmierende Züge. Gestern war es bereits der vierte, aufeinanderfolgende Tag, an dem der Tokioter Nikkei-Index deutliche Schwächeerscheinungen zeigte. Der Börsenindex verlor 577,38 Punkte und sackte auf 16.598,15 Punkte, seinen tiefsten Stand seit Oktober 1986, ab.

An der Basis des Tokioter Aktienmarkts nagt die Krise, die aus den gegenseitigen Beteiligungen am Aktienvermögen zwischen den großen Konzernen und Finanzunternehmen besteht. Bislang galten diese Aktienbeteiligungen im Grundsatz als unverkäuflich. Doch nun zwingen die nicht mehr kalkulierbarne Kursverluste selbst die großen Unternehmen zum Abstoßen ihrer Wertpapiere. Besonders haben darunter die Tokioter Banken zu leiden, von denen acht zu den zehn größten der Welt zählen.

In den letzten zehn Tagen verloren die Bankaktien durchschnittlich zwanzig Prozent ihres Wertes. Investoren vermuten offenbar, daß die Banken einen Teil ihrer vor Jahren großzügig verteilten Kredite nicht zurückerhalten werden, weil ein Teil ihrer Kunden — vor allem Immobilienunternehmen — inzwischen Konkurs anmelden mußte. Daneben taucht nun wieder die Frage auf, ob die japanischen Banken derzeit noch die ab dem nächsten Jahr international geforderte Eigenkapitalrate von acht Prozent aufweisen können. Da nämlich die japanischen Banken 45 Prozent ihres Eigenkapitals in Aktien abschreiben können, wirkt sich die Börsenbaisse auf ihre Vermögen aus. Wohlmöglich wird ihnen nichts anderes übrig bleiben, als ihre Umsatzsteigerungen zu drosseln, um die acht Prozent Eigenkapital halten zu können.

Schon sind Wallstreet und die meisten europäischen Börsen, in Reaktion auf Tokio, gefallen. Denn wo sollen die Milliarden für neue Großinvestitionen schon herkommen, wenn nicht aus Japan? Noch 1989 pumpte Japan annähernd 320 Milliarden Mark in Form von Anleihen, Wertbriefen und Direktinvestitionen in die Welt. Bereits letztes Jahr war Japan wieder ein Netto-Kapitalimporteur. Die Börsenkrise könnte diesen Trend festschreiben. Weshalb an der Tokioter Börse wieder sehr viel von der „Weltrezession“ gesprochen wird.

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