MIT NIGERIAS SCHULDEN AUF DU UND DU: Armer Ölriese
■ Nigeria hofft auf Sonderbehandlung des Währungsfonds
Berlin (taz) — Gäbe es einen Preis für das am schnellsten wachsende Auslandsschuldenproblem — er müßte wohl an Nigeria gehen. Dessen Präsident Ibrahim Babangida jetzt vor einer bevorstehenden Zahlungsunfähigkeit gewarnt.
Im Jahre 1980 hatte Nigeria ein Bruttosozialprodukt von 99 Milliarden US-Dollar und eine Auslandsschuld von neun Milliarden. Zehn Jahre später war das Bruttosozialprodukt aufgrund des Ölpreisverfalls auf 37 Milliarden abgesackt — die Schulden lagen bei rund 35 Milliarden. Genaue Zahlen gibt es aber nicht.
In seiner Präsentation des Staatshaushaltes zum Neujahr präsentierte Babangida eine Schuldenlast von 33,4 Milliarden Dollar. Der „Pariser Klub“ — die reichen Kreditgeberländer der Welt — kommt aber auf zwei Milliarden mehr. Offiziell liegt das Wirtschaftswachstum des Landes seit 1988 jährlich bei rund 5,2 Prozent. Doch auf einem nigerianischen Bankenseminar Ende letzten Jahres war von Minuswachstum die Rede. Auch über die Inflationsrate gibt es Differenzen: Laut Regierung lag sie Mitte 1991 bei 5,5 Prozent — in Industriekreisen spricht man von 20 bis 30 Prozent.
Unstrittig ist nur eines: Verglichen mit geschätzten Exporteinnahmen von neun Milliarden Dollar in diesem Jahr ist der anfallende Schuldendienst von 5,6 Milliarden zu hoch. Außerdem fließt noch immer mehr Kapital aus Nigeria ab als ins Land kommt. „Es ist daher klar“, sagt der Staatspräsident, „daß Nigeria eine substantielle Schuldenlinderung durch Schuldenreduzierung benötigt.“
Der amtliche Pessimismus kommt zu einer Zeit, in der Nigeria wieder zu einem der größten Ölproduzenten der Welt aufgestiegen ist. Mit fast zwei Millionen barrel täglich liegt es innerhalb der OPEC nur hinter Saudi-Arabien, und die Kapazitäten sind im Ausbau begriffen. Doch dagegen stehen Schwierigkeiten in der Landwirtschaft — vergangenes Jahr eine Dürre im Norden und schwere Flutschäden im südöstlichen Niger-Delta — was die eigentlich vorgesehene Senkung der Importe erschwert.
Zur Lösung seines Schuldenproblems hofft Nigeria nun auf die Art von Sonderbehandlung, die eigentlich für bankrotte Armenhäuser vorgesehen ist — die sogenannten „Trinidad-Bedingungen“, die im Laufe einiger Jahre eine Schuldensenkung um zwei Drittel herbeiführen. Zuerst wird aber der IWF seinen Segen geben müssen. Und der ist kaum zu Entgegenkommen bereit: Vergangenes Jahr überzog Nigerias Regierung ihren Haushalt um zwei Milliarden Dollar, und drei Milliarden sind Anfang letzten Jahres in der Buchführung der Zentralbank spurlos verschwunden. D.J.
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