MIT NEUEN UMWELTENGELN AUF DU UND DU: Buy german!
■ Oder: Die Textilindustrie entdeckt den Umweltschutz
Köln (taz/dpa) — Wenn heutzutage irgendein Produkt „Öko“ ist, kann man fast sicher sein, daß die Industrie wieder Absatzprobleme hat. Nun prangt ja auf zahlreichen Waren wie etwa giftigen Lacken seit längerem der blaue Umweltengel. Der Textilindustrie scheint der Umgang mit dem bekanntesten Öko-Signet zu inflationär zu sein. Beim Branchenverband Gesamttextil wurde jetzt eigens ein „Verein für verbraucher- und umweltfreundliche Textilien“ gegründet, der zur Zeit an neuen Öko-Labels bastelt.
Dabei geht es um eine Offensive gegen Anbieter ausländischer Billigware. Das jedenfalls ist die Meinung der Bekleidungsindustrie, des Textileinzelhandels und der Verbraucherverbände. „Wir freuen uns natürlich, wenn man umweltfreundliche Produkte bekommt — aber nicht, wenn man Umweltargumente benutzt, um den Markt abzuschotten“, kritisiert August Möller, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes des Deutschen Textileinzelhandels (BTE), die Pläne. Bei einem Anteil von 50 Prozent Importware an der im Handel angebotenen Kleidung sei es offensichtlich, daß solche Importe mit den neuen Qualitätsstandards erschwert werden sollen. Der Textilindustrie gehe es letztlich um die Förderung deutscher Produkte, und eine solche „Buy-german- Kampagne“ mache der BTE nicht mit. Auch die deutsche Bekleidungsindustrie gibt sich kosmopolitisch: Für zwei nationale Umweltzeichen sei im europäischen Binnenmarkt kein Platz, meint Friedhelm Sartoris, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Bekleidungsindustrie. Sein Problem: „Wir haben Sorge, daß die Importware die Umweltkriterien nicht erfüllen kann“. Immerhin 70 Prozent ihrer Produkte läßt die Bekleidungsindustrie im Ausland fertigen.
Vertreter der Textilbranche kontern, man habe „das System weltweit offen gestaltet“. Grundsätzlich könne jeder Textilhersteller, unabhängig von seiner Nationalität, seine Ware bei Textilforschungsinstituten prüfen lassen, um das Signet zu bekommen, so der Geschäftsführer des Vereines für verbraucher- und umweltfreundliche Textilien, Alfred Virnich. Ein anderer Streitpunkt zwischen den Beteiligten ist die Aussagekraft eines Öko-Anhängers. BTE- Hauptgeschäftsführer Möller geht der Ausschlußkatalog, den der Verein festgelegt hat, nicht weit genug. Hans-Jürgen Billigmann von der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AGV) fragt sich, „warum die Textilindustrie nicht das seit zehn Jahren bestehende und bewährte System des blauen Engels nutzt, wenn sie ihre Produkte umweltfreundlicher machen will“.
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