MIT DER FRIEDENSDIVIDENDE AUF DU UND DU: Gestrichene Phantome
■ US-Rüstungsindustrie steht vor Anpassungsproblemen
Washington (dpa/taz) — Von einer Friedensdividende will die US- Rüstungsindustrie derzeit nicht viel wissen. „Es ist wahre Ironie, daß der Sieg im Kalten Krieg den Verlust von zwei Millionen Arbeitsplätzen bedeutet“, stellt der Vorsitzende des Streitkräfteausschusses, Sam Nunn, fest. Nach den jüngsten Kürzungen des Pentagon rechnet Nunn damit, daß bis 1996 über eine Million Jobs verloren gehen. Hinzu kommen eine halbe Million Soldaten und 300.000 zivile Angestellte, die durch die noch vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion eingeleitete Verkleinerung der Streitkräfte entlassen werden sollen.
Paradox ist dabei, daß die Einschnitte in den Militärausgaben und damit die vielzitierte Friedensdividende gar nicht groß sind. Die geplanten Kürzungen um 50 Milliarden US-Dollar für 1993 machen laut dem Center for Defense Information (CDI) gerade drei Prozent der geforderten 1,7 Billionen Dollar zwischen 1992 und 1997 aus. Das CDI befand, angesichts der geringeren Bedrohung könnte der 291-Mrd.-Dollar-Rüstungsetat problemlos um weitere 32 Milliarden Dollar schrumpfen. Doch da spielt Verteidigungsminister Cheney nicht mit.
Die führenden Rüstungsunternehmen wie McDonnell Douglas, General Dynamics, Lockheed und Rockwell stehen vor schwierigen Anpassungsprozessen. Die 'Washington Post‘ zitierte Anthony Battista, Berater mehrerer großer Rüstungsfirmen: „Ich fürchte um einen großen Teil der Industrie.“ Der zweitgrößte US-Rüstungshersteller, General Dynamics, der zu 90Prozent für das Pentagon arbeitet, will sich deutlich verkleinern. Nach dem Aus für das atombetriebene U-Boot „Seawolf“ sollen 4.000 Beschäftigte bis Jahresende entlassen werden; insgesamt bis zu 17.000 sollen in den nächsten fünf Jahren folgen. Auf Kritik stößt vor allem, neu entwickelte Waffensysteme nur im Krisenfall zu produzieren. Norman Augustine, Chef des Rüstungskonzerns Martin Marietta: „Amerika sollte in Friedenszeiten nicht seine militärischen Fähigkeiten verringern — sonst wird für den Fehler später mit Leben statt Geld bezahlt.“ es
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