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Archiv-Artikel

MIT DER BEKIFFTEN VERSION VON DEICHKIND UND EINER FIKTIVEN FREUNDIN IM FUCHSBAU Der schreibende DJ

JURI STERNBURG

Das Wochenende wurde standesgemäß bereits am Vizefreitag eingeläutet. „20 Jahre Black Box“ stand an, das Veranstaltungstechnikunternehmen, verantwortlich für die Tourneen von Rammstein oder Peter Fox, ließ sich dementsprechend nicht lumpen und fuhr so einiges auf: Neben dem traditionell sehr beliebten Freisuff samt Häppchenbuffet lud man sich mit „Icke&Er“ die bekiffte Version von Deichkind ein – ob „richtig geil“ oder „leider geil“, der inhaltliche Unterschied bleibt eher marginal. Schade, dass das noch keinem aufgefallen zu sein scheint.

Während ein Großteil der Gäste noch mit der Verwirrung, die so ein Bandname mit sich bringt, kämpft („Wer spielt denn heute Abend?“ – „Icke&Er“ – „Sehr lustig, aber nun sag doch mal!“), kämpfen andere bereits mit dem Gleichgewicht. Selbstverständlich werden hier keine Namen genannt, immerhin trinkt Joey Kelly ja bekanntlich keinen Alkohol, abgesehen von dem obligatorischen Hefeweizen nach einem 36 Stunden andauernden Marathon durch schlangenverseuchte Wüstengebiete. In diesem Fall griff er eventuell einfach den Ereignissen vor, immerhin galt es am Sonntag einen Halbmarathon durch Berlin zu bestreiten.

Als ich am Freitag richtig wach werde, sitze ich bereits im Fuchsbau am Kottbusser Damm. Der Laden ist überfüllt und anstrengend. Da hilft auch die junge Blondine nicht, die allein, mit einem Buch bewaffnet, am Tresen sitzt und behauptet, mich zu kennen. „Du bist DJ, ich kenn dich!“, wiederholt sie. Sämtliche Versuche, sie vom Gegenteil zu überzeugen, scheitern. Als ich ihr mitteile, dass ich schreibe, huscht Mitleid über ihr Gesicht. „Aber um Geld zu verdienen, legst du auf oder wie?“ Ich flüchte zurück an unseren Tisch, die blonde Dame sitzt weiterhin am Tresen und versucht bei schlechten Lichtverhältnissen ihr Buch zu lesen.

Wir verlassen den Fuchsbau und schwingen uns in das unterirdische Großraumtaxi, U-Bahn genannt, um zum „Naherholung Sternchen“ zu fahren. Hier wird die Veröffentlichung der inzwischen neunten Ausgabe der HATE gefeiert, und da der feine Herr Autor Schrägstrich DJ mal wieder einen Text für ebenjenes Magazin verfasst hat (für den es selbstverständlich kein Geld gab, weswegen ich mich nebenbei ja als Plattenaufleger verdinge), ist das Ganze selbstverständlich ein Pflichttermin. Eigentlich soll diese Party die Druckkosten wieder einspielen, allerdings sorge ich mich um die Finanzierung. Man kann Schnäpse erwürfeln, für jeden Pasch gibt es die entsprechende Anzahl an Wodkashots, und wir legen gleich mal einen Sechser- sowie ein Fünferpasch vor. Peinlich berührt versuche ich, das entstandene Minus durch exzessiven Bierkonsum wieder hinzubiegen. Ich hoffe, dies ist mir gelungen.

Irgendwann sitzen wir im Taxi zur Ritterbutzke. Der Fahrer steht auf Smalltalk, und als er erfährt, dass ich ein DJ bin, der nebenbei über das Berliner Nachtleben schreibt, ist er hocherfreut. Schließlich kutschiert er oft eine „Freundin“ von mir. Dass mir seine Beschreibungen überhaupt nichts sagen, scheint ihn nicht zu kümmern, denn er ist sich sicher, dass ich und diese Person sich kennen. Immerhin haben wir den gleichen Beruf. Nach einer zettellosen Partie „Wer bin ich?“ finden wir heraus, dass er die BZ-Kolumnistin Bea Peters meint, welche wahrscheinlich die besten Ausgehtipps der Stadt hat – wenn man von sämtlichen anderen Partyempfehlungen einmal absieht – und regelmäßig auf den Gratisfirmenfressveranstaltungen der Hauptstadt anzutreffen ist. Veranstaltungen, die ich, als der derzeit angesagteste DJ Berlins, natürlich niemals besuchen würde.