MIT DEM ZINSNIVEAU AUF DU UND DU: Prinzip Hoffnung
■ UNCTAD verlangt drastischere Zinssenkung Deutschlands
Genf (AP/dpa/taz) — Der Bericht war schon gedruckt, als die Bundesbank gestern auf nationalen und internationalen Druck hin die Leitzinsen leicht senkte. Dabei hatte die UNO-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD), wie schon so viele internationale Organisationen und Staaten vor ihr, in ihrem gestern veröffentlichten Jahresbericht die Hochzinspoltik der Deutschen unter Beschuß nehmen wollen. Zwar wurde die Zinssenkung vom Montag als ein erster Schritt begrüßt, der Weltwirtschaft aus der tiefen Rezession herauszuhelfen, doch von ihrer ursprünglichen Forderung rückte die UNCTAD nicht ab: Deutschland, so heißt es in dem Papier, solle seine kurzfristigen Zinsen, die derzeit bei über 9 Prozent liegen, dem Zinsniveau in den USA und Japan von 3 bis 4 Prozent annähern.
Deutschland wird eine Schlüsselrolle für niedrigere Zinsen in Westeuropa zugeschrieben. „Niemand sonst kann uns diesen Weg ebnen“, so UNCTAD-Generalsekretär Kenneth Dadzie. Eine Aufgabe der deutschen Hochzinspolitik, so die Entwicklungsexperten, könne zu einer Belebung der europäischen Wirtschaft beitragen und diese Länder in die Lage versetzen, wiederum anderen Staaten aus der Rezession herauszuhelfen. Besonders die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Japan werden aufgefordert, ihre öffentlichen Investitionen zu verstärken. Die Industriestaaten insgesamt werden von der UNCTAD aufgefordert, mehr in der Dritten Welt zu investieren.
Nach Ansicht der UNCTAD steckt die Weltwirtschaft in der tiefsten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg. Eine Erholung in den USA allein werde da nicht genügen, um die weltweite „Deflation durch Verschuldung“ zu bekämpfen. In der derzeitigen Rezession, die erstmals nach dem Krieg wesentlich von der hohen Verschuldung der Industrieländer geprägt werde, haben allerdings auch die US-Notenbank und die Regierungen Japans, der USA und Großbritanniens zur Abhilfe beizutragen. Die langfristigen Zinsen in den USA seien immer noch zu hoch, trotz der niedrigen kurzfristigen Zinsen. Die Notenbanken sollten auf ihre Zinspolitik von vor 1979 zurückkommen. Die hohe Inflation, die damals zu Änderungen geführt habe, sei faktisch nicht mehr vorhanden.
Für die Weltwirtschaft sieht der UNCTAD-Bericht kaum Aussichten auf eine baldige Erholung. „Eine rasche Rückkehr zu den Wachstumsraten der achtziger Jahre ist also wenig wahrscheinlich.“ Während die Weltproduktion 1991 stagnierte, sagt die UNCTAD für 1992 ein Plus von 1,5 und für 1993 von etwa 3 Prozent voraus. Obwohl die Zukunft der EG unsicher sei, hätten EG-Mitgliedsländer noch am meisten Grund zu Optimismus. es
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