MIT DEM MUNDE GEFILMT (1981) : Die Stärke, das Bewusstsein der Schwäche
„Mit dem Munde gefilmt“ handelt von Sprichwörtern und ist ein Tonfilm im wörtlichen Sinn. Hier finden wir das Medium zum Ausdrucksinstrument höchstmöglicher Akustik und Resonanz modelliert. Dem Chor seiner Stimmen, denen der Film bezaubernde Reize verdankt, sind die Sprichwörter kein Material der Überlegung, sondern der Anverwandlung. Konterkariert werden sie, samt der Lebenserfahrung, die ihnen zugrunde liegt, von der Bilderwelt staunender Kindheit (grellfarbige, drastische Szenen aus Bilderbüchern); von dem, was an Weihnachtsglocken und -liedern ergriff; von einer Märchenstimmung, die nicht frei ist von einem ironisch-satanischen Einschlag (der Erfrierungstod des Sprichwörterforschers und Luftschiffers in der Gondel eines in großer Höhe schwebenden Ballons).
Mir wird bewusst, wie sehr Kahn/Leiner in ihren Filmen den poetischen Konflikt des zarten Subjekts mit der befestigten Bürgerlichkeit (samt ihrem Wissenschafts- und Fortschrittsglauben) nachgelebt haben und wie sehr der Schauder vor der kalten erwachsenen Welt ihnen zum Medium geworden ist. Ihre Stärke ist das Bewusstsein der Schwäche. PETER NAU