MILCHPREISE IM KELLER: EIN BAUERNSTREIK GEGEN ALDI IST EINE GUTE IDEE : Es darf ein bisschen mehr sein
Die Verbraucher werden große Augen machen, wenn in der Kühltheke im Aldi um die Ecke die Milch fehlt. Stattdessen nur ein großes Schild: Die Bauern sind im Streik. Bravo! Nur selten ist Bauernpräsident Gerd Sonnleitner zu loben, für seinen gestrigen Aufruf der Landwirte zum Milchboykott aber schon. Es ist aberwitzig, dass ein Bauer für die Milch derzeit noch nicht einmal das Geld bekommt, das er in die Produktion investiert hat.
Der Wettbewerb bei Lebensmitteln ist ruinös für die Landwirte. Das liegt daran, dass gerade mal fünf Handelsketten die riesigen Regalschluchten in Deutschland beherrschen. Edeka, Aldi, Lidl, Rewe und die Metro entscheiden, wer was zu welchem Preis auslegen darf. Sie spielen ihre Marktmacht ungehemmt aus, Qualität spielt kaum eine Rolle. Sie wollen es billig – und fahren selber riesige Gewinne ein. Das Gejammer über die Konsumflaute sollte darüber nicht hinwegtäuschen.
Es hilft wenig, die Verbraucher wachrütteln zu wollen und sie immer wieder zum „guten Einkauf“ zu ermahnen, wie es die grüne Agrarministerin Renate Künast gerne macht. Woher sollen sie denn wissen, welcher Preis für den Joghurt ehrlich ist – 30 oder 32 Cent? Um einen größeren Preisunterschied geht es letztlich gar nicht. Auf seine morgendliche Milchration würde deshalb wohl kaum einer verzichten.
In der Verantwortung steht also der Handel, er braucht Druck von allen Seiten. Die Landwirte kommen viel zu spät darauf. Womöglich liegt es daran, dass sie selbst wissen: Ihre Schlagkraft wird äußerst gering sein. Einen wochenlangen Streik können sie nicht durchhalten. Die Bauern werden ihre Milch nicht ewig an ihre Schweine verfüttern oder an die Nachbarn verschenken können.
Letztlich lohnt ein solcher Boykott selbst dann, wenn er nicht sofort ein Ergebnis zeigt. Fürs Erste reicht es, Aufruhr zu erzeugen und den Handel vor dem Verbraucher an den Pranger zu stellen. Und es darf durchaus ein bisschen mehr Protest sein: Warum sollten die Landwirte nicht für eine Zeit auch die Lieferung von Schweinefleisch oder Kartoffeln einstellen? HANNA GERSMANN