MAZEDONIEN-WAHL: REGIERUNGSWECHSEL ÄNDERT NICHTS AM STILLSTAND: Zu schwach für Reformen aus eigener Kraft
Mit dem Sieg des sozialdemokratischen Bündnisses „Gemeinsam für Mazedonien“ und der „Demokratischen Partei der Integration“ des ehemaligen UÇK-Führers Ali Ahmeti scheint die mazedonische Wählerschaft einen Schritt in die richtige Richtung gemacht zu haben. Die bisherige Koalitionsregierung der Nationalisten hat dem Land einen Krieg beschert, und entgegen den ursprünglichen Erwartungen liegt die Wirtschaft jetzt noch mehr am Boden als schon zuvor. Durch Korruption und Unfähigkeit hat die alte Regierung zudem der Autorität der staatlichen Institutionen insgesamt geschadet. Nun ist ein Neuanfang möglich.
Doch die dominierenden ethnischen Gruppen in diesem Vielvölkerstaat haben sich mit den Wahlen weiter voneinander entfernt: Die Wahlen haben keine Partei hervorgebracht, die sowohl bei slawischen Mazedoniern als auch bei den Albanern gleichzeitig erfolgreich ist. Sicherlich ist eine Koalition zwischen den stärksten Parteien beider Volksgruppen im Augenblick die einzige Chance, die Lage zu beruhigen. Die Spannungen lösen aber kann sie dennoch nicht. Gewählt wurde entlang ethnischer Linien und ethnisch dominierter Territorien. Und mit dem Erscheinen einer neuen Albanermiliz und der Existenz der Sondertruppen des Innenministeriums haben beide Seiten die Instrumente, von einem Tag zum anderen erneut zum Krieg überzugehen.
Die präventive Intervention der Nato in Mazedonien hat einen größeren Krieg verhindert, und die internationalen Beobachter halten die Kriegsgefahr auch jetzt in Grenzen. Doch einen erkennbaren Friedensprozess hat die internationale Präsenz bisher nicht hervorgebracht. Dies kann nur mit einer überzeugenden Strategie gelingen. Doch das von der EU gegebene vage Versprechen auf eine Integration irgendwann ersetzt keine konkrete Friedenspolitik. Die muss in eine energisch durchgesetzte Gesamtstrategie für die Reform des Staates und der Wirtschaft münden. Der politische Wille dazu ist im Land nur sehr begrenzt vorhanden. In den Hauptstädten der EU leider auch.
ERICH RATHFELDER
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