MATTHIAS STÜHRWOLDT GRÜNLAND : Stührwoldt chillt
Eine Woche ohne Ackerbau und Viehzucht gönnt sich der Bauer im Winter. Dazu muss er weit wegfahren
Wenn dieser Text erscheint, bin ich im Urlaub. Als ich vor dreizehn Jahren den Hof übernahm und Birte, meine Frau, plötzlich Bäuerin wurde, beschlossen wir: eine Woche im Jahr gibt es Ferien – mit der ganzen Familie. Im Moment heißt das: Birte, fünf Gören zwischen zehn und achtzehn und ich.
Wir haben es nicht in jedem Jahr geschafft, wegzufahren. Jetzt jedoch ist es wieder so weit, und eine Ahnung sagt mir: zum letzten Mal werden wir in Komplettbesetzung unterwegs sein.
Zu Zeiten, als ich Kind war, wäre ich so gerne einmal mit meinen Eltern weggefahren. Damals jedoch war eine mehrtägige Reise für eine Milchbauernfamilie ein Ding der Unmöglichkeit – zumindest aus Sicht meiner Eltern. Zwar hielten sie mich mit vagen Versprechungen hin, „es wird der Tag kommen“, aber ernsthaft geplant haben sie einen Urlaub nie. Es ist ja auch nicht einfach, jemanden zu finden, der die ganze Arbeit erledigt, wo sie doch – zumindest aus Bauernsicht – niemand jemals so gut macht wie man selbst. Und schon gar nicht zum Nulltarif.
Das mit dem Geld spielte eine Rolle. Nicht, dass meine Eltern nicht genug davon gehabt hätten. Aber sie hielten es beisammen wie eine Glucke ihre Küken. Meine Mutter lehnte es sogar ab, zu Geburtstagen von entfernt wohnenden Verwandten zu reisen, wenn sie dort im Hotel übernachten sollte. Ich weiß noch, wie sie in der Küche stand und rief: „Achtzig Mark soll ich für eine Nacht bezahlen! Für vielleicht vier Stunden Schlaf! Da geb ich in der Stunde zwanzig Mark aus! Und das im Schlaf!“
Zum Glück bin ich in diesem Punkt anders als meine Eltern. Ich weiß, dass ich mal Abstand vom Hof brauche. Und Urlaub können Bauern niemals zu Hause machen. Also fliegen wir weg. In die Sonne. Eine Woche Lanzarote, all inclusive, in den Weihnachtsferien, für sieben Personen. Der Preis entspricht dem Erlös von elf durchschnittlichen Schlachtkühen. Es tut ein bisschen weh, und fühlt sich doch auch gut an.
Die Arbeit auf dem Hof erledigen dann mein Lehrling und mein bester Freund Dieter – er macht eine Woche Arbeitsurlaub auf dem Bauernhof. Er freut sich drauf: endlich mal nicht am Computer sitzen, nicht telefonieren. Ein wenig springt auch meine unverwüstliche Mutter ein. Sie wird wenigstens einmal am Tag die Kühe melken, wenn ihr Sohn es schon nicht tut.
Zugegeben, unsere Flugreise in den Süden ist kein nachhaltiges Unterfangen. Mein Gewissen plagt mich deswegen. Aber immerhin gibt es keine EU-Öko-Verordnung dazu, wie Biobauern Ferien zu machen haben. Wir verstoßen gegen keinerlei Förderrichtlinien. Wir sind einfach nur ein bisschen normal. Wir sind eine Familie, die in den Urlaub fliegt. Mehr nicht. Auch nicht weniger. Meine Kinder dürfen wissen, wie gechillt ich im Urlaub bin. Von meinen Eltern weiß ich das ja nicht.
■ Der Autor ist Biobauer in Schleswig-Holstein Foto: privat