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Archiv-Artikel

MATTHIAS STÜHRWOLDT GRÜNLAND Das bargeldlose Wunder

Geldkarten waren mir immer suspekt. Heute habe ich sie alle. Aber es war ein langer Weg

Mein erster Kontakt zu einer Bank kam zustande, als ich konfirmiert wurde. Die Bank meiner Eltern schenkte mir einen Gutschein über zehn Mark. Bedingung: Ich sollte ein Sparkonto eröffnen. Weil ich als Sohn des Bürgermeisters eine schöne Stange Geld zur Konfirmation bekam, zahlte ich sie gleich ein. Die Bank freute sich einen Ast.

Bis ich 22 war, hatte ich kein Girokonto. Wenn ich Patte brauchte, musste ich Mudder anbetteln oder arbeiten, wofür ich bar bezahlt wurde. Wollte ich abends mal ins Kino, klaute ich mir was vom Milch- und Eiergeld aus der Kaffeetasse im Küchenschrank. Sogar während meiner landwirtschaftlichen Lehre bekam ich den Lohn bar auf die Kralle. Trotzdem gehörte „Bargeldloser Zahlungsverkehr“ zum Stoff der Berufsschule, wir schrieben Klassenarbeiten drüber. Was soll ich sagen: Mir war der Kram suspekt. Erst als Zivi kam ich um ein Girokonto nicht mehr herum.

Anfang der Neunziger bekam ich dann meine erste EC-Karte. Stolz bewahrte ich alle Kontoauszüge auf, und die Ausdrucke der Transaktionen ergaben ein Bewegungsbild von mir, aufschlussreicher als die Stempel im Reisepass. Lange Zeit dachte ich: Was zum Teufel soll ich mit einer Kreditkarte? Ich komm doch auch so durchs Leben. Als meine Liebste und ich vor zehn Jahren in den USA waren, hatten wir Traveller Checks dabei. Die Frau in der Bank in Madison, Wisconsin hatte so etwas noch nie gesehen. Sie guckte mich an, als sei ich ein geistig zurückgebliebener Gangster. Dann telefonierte sie mit der Zentrale und sagte mir anschließend: „We won’t cash them!“ Zum Glück konnte ich mit der EC-Karte an den Geldautomaten.

Dann stiegen Birte und ich in einem Großstadthotel ab. Ohne Kreditkarte mussten wir hundert Euro Kaution hinterlegen, die erst bei Abreise wieder ausgezahlt wurde. Das fand ich diskriminierend; gleichzeitig machte es mich ein wenig stolz, weil ich dachte: Hey, vielleicht halten sie mich für Keith Moon, den legendären hotelzertrümmernden Drummer von The Who. Angeblich hatten die Hotels damals einen Alarmknopf, neben dem stand: „In case of Keith Moon, press this button!“

Vor einem Jahr beantragte ich schließlich eine Kreditkarte, aber unter Protest. Ich habe sie tatsächlich schon gebraucht. Denn als die Liebste und ich in diesem Jahr in Costa Rica weilten, gab es mit der EC-Karte keine Kohle, nirgends. Also zückte ich die Kreditkarte. Ich kam mir vor wie ein stinkreicher Lebemann. Das dicke Ende kam erst Wochen später, mit der Abrechnung. Ich hatte wohl etwas die Übersicht verloren.

Der Autor ist Biobauer in Schleswig-Holstein Foto: privat