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Archiv-Artikel

MASSEN-GENTESTS SOLLTEN NICHT MIT EINEM VERDACHT VERBUNDEN SEIN Stigmatisierung stoppen

Massengentests nach einem Verbrechen müssen nicht unbedingt verbindlich sein, um Erfolg zu haben. Oft ist der soziale Druck so groß, dass der gesuchte Täter freiwillig eine Speichelprobe abgibt. Wenn der Kegelverein seinen kollektiven Sonntagsausflug zur Polizeisammelstelle macht, dann traut sich niemand, daheim zu bleiben. Aber die Erfolgschance ist höher, wenn die Polizei sicherstellen kann, dass jeder zum Test muss. Insbesondere im städtischen Milieu, wie jetzt bei der Suche nach einem Serienvergewaltiger in Bochum, ist es sonst zu einfach, durch die Maschen zu schlüpfen.

Die derzeitige Rechtslage ist unbefriedigend: Nur ein Verdächtiger darf zur Abgabe einer Speichelprobe verpflichtet werden. Will die Polizei die Lückenlosigkeit eines Massentests sicherstellen, muss sie faktisch mehrere tausend Menschen zu Verdächtigen erklären, etwa weil sie in einer bestimmten Gegend wohnen und Männer sind. Das ist eine inakzeptable soziale Stigmatisierung von an sich Unverdächtigen. Sinnvoll wäre es, die Rechtslage zu ändern: Bei schweren Verbrechen, besonders bei Wiederholungsgefahr wie jetzt in Bochum, sollten verpflichtende Massengentests auch ohne Verdacht möglich sein. Jeder müsste hin, aber keiner wäre verdächtig. Der Eingriff in Bürgerfreiheiten ist gering. Es genügt, ein Wattestäbchen in den Mund zu nehmen. Das erstellte DNA-Identifizierungsmuster enthält keinerlei heikle Informationen. Speichelprobe und DNA-Profil werden weder für andere Tests verwendet noch gespeichert, wenn der Test negativ verläuft – also bei allen, außer dem einen, dessen Sperma beim vergewaltigten Opfer festgestellt wurde.

Wenn der Täter auf diese Weise schnell gefunden werden kann, erübrigen sich zugleich viel heiklere Polizeimaßnahmen gegen letztlich Unschuldige. Das sollte auch Polizeikritiker überzeugen. Manche unterstellen der Polizei zwar routinemäßig, sie werde ihre Befugnisse missbrauchen. Dann könnte man den Beamten aber auch die Befragung von Zeugen verbieten und sollte am besten jede Strafverfolgung wegen der damit verbundenen Risiken einstellen. CHRISTIAN RATH