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Archiv-Artikel

MARTIN UNFRIED über ÖKOSEX Wie Frank Plasberg unser Klima ruiniert

Warum im enormen Spritverbrauch meines Lieblingsmoderators eine große Chance für den Klimaschutz liegt

Nein, er ist deswegen kein schlechter Mensch. Ökosex kennt keine Moral. Echt nicht. Moral bringt uns hier nicht weiter. Es ist nur so, dass ich schon ein bisschen enttäuscht bin. Gefühle wurden verletzt. Denn ich liebe ihn: Frank Plasberg ist mein Held. Er macht die Sendung „Hart aber fair“ im WDR. Schlagfertig, witzig und alles andere als verbissen. Und dann das. Sein Auto ist so uncool.

Während seiner Talkshow letzte Woche zum Problem des Klimawandels erwähnt Plasberg so nebenbei, er fahre ja selbst einen Audi A6 Kombi. Der verbrauche 9,3 Liter Sprit und mit Winterreifen sogar mehr. Mir blieb zu Hause auf meinem Sofa die Luft weg. „Frank! God verdomme, Frank!“, brüllte ich. Das ist niederländisch und heißt „das glaub ich einfach nicht“.

In der folgenden Nacht träumte ich schlecht. Ich war Chefredakteur von Bild. Redaktionskonferenz. Mit welchem Aufmacher sollten wir Plasberg grillen? Ich titelte: „Plasbergs TV-Beichte: So ruiniert er unser Klima!“, „Brumm-Brumm Frank: so asozial fährt der Moderator!“ – „Franks A-Sechs-Skandal: So heizt er im Treibhaus!“

Als ich erwachte, schämte ich mich. Wie gesagt, ich liebe ihn. Und Plasberg, der Profi, würde das mit den neun Litern Spritverbrauch selbstverständlich auch nie erwähnen, wenn Bild das tatsächlich interessieren würde. Überhaupt, don’t mention Moral! Moralische Fragen führen in die „du bist doch auch ein Vielflieger“-Falle! In der sitzen einige taz-LeserInnen, die mir wegen meiner VW-Touran-Kritik (Ökosex, 12. Januar) schrieben. „Wer Touareg fährt, ist doch noch viel schlimmer als die Touranfahrer!“ Liebe taz-LeserInnen, beide Kisten – auch der Touran – sind völlig uncool. „Schlimmer“ ist keine hilfreiche Kategorie in der Konsumgesellschaft.

Das hat sich allerdings zu Frank Plasberg auch nicht rumgesprochen. Bei seiner Klimasendung ritt der Großmeister auf Moral und Verzicht rum. Kein Wunder. Seine Redaktion hatte ihn reingelegt. Ökosex war nicht eingeladen. In seiner Talk-Runde fehlt wieder mal der heiter-coole Klimaschutz-Konsument mit 3-Liter-Auto und Pipapo. So war die Debatte auch nur Steinzeit. Opfer global, Kosten, Moral, Technik, Verzicht. Die Besetzung: Guru (Töpfer), Gutmensch (Attac), Gutauto (Staatssekretärin) und Gutmenschfresser (Handelsblatt). Alles bekannt. Alles wie immer. Kurze Film-Einspielung: „Familie Heinz Becker wohnt in einem Haus, das ganz wenig Energie braucht!“ Ach, das ist ja interessant. Gibt es das wirklich?

Das Entscheidende wurde nicht erwähnt: Es fiel kein Wort über Konsumblockaden. Warum weder der Moderator der Sendung noch einer der Gäste in einem Passivhaus wohnt? Warum keiner von ihnen ein 3-Liter-Auto fährt? Nach 15 Jahren Klimadebatte? Das alles hat Frank Plasberg leider nicht gefragt. Warum nicht? Der kleine Hinweis auf seinen A6 erklärt alles.

Rekonstruktion: Frank Plasberg im Autohaus. Er fühlt, er braucht den Kombi wegen der Kinder. Die PS braucht er wegen 200 km/h. Audi braucht er wegen Mercedes. Er hat nicht das Gefühl, dass Verbrauch, Gewicht und Motor eine technologische Unverschämtheit sind. Nein, er hat das Gefühl, hier stimmt alles. Natürlich weiß er, dass 9 Liter Verbrauch scheiße sind.

Geld wäre da, klimafreundlichere Autos auch. Was blockiert ihn also? Es ist einfach: Frank Plasberg hat das Habenwollen-Gefühl nicht! Deshalb hat er kein Klimaschutzprodukt gekauft. Deshalb kann man die Moral vergessen. Frank Plasberg folgte seinen Gefühlen und tat das Richtige. Das Richtige im Falschen und Frank Plasberg war ein Betrogener seiner falschen Gefühle. Folglich führt der Weg zum Klimaschutz in Deutschland nur über die Gefühle von Frank Plasberg. Gefühle können sich glücklicherweise ändern. Ich habe ihn zu mir nach Maastricht eingeladen. Er darf mit dem weltbesten 3-Liter-Auto eine Runde drehen. Effizienz schnuppern. Regionale Biotreibstoffe riechen. Über die Autobahn segeln. Nennen wir es „Anfixen“. Re-Emotionalisierung. „Frank“, werde ich sagen, „die Klimaschutz-Avantgarde braucht dich!“

Stimmt alles? kolumne@taz.de Montag: Susanne Lang trifft DIE ANDEREN