MARTIN UNFRIED über ÖKOSEX : Was ist schöner als Weihnachten?
Ökotainment wird der Trend des Jahres 2008. Erster Höhepunkt: das neue Ökosex-Video „Weihnachten ohne Atom“
Alles geht bereits ein bisschen langsamer. Zwar sausen die E-Mails noch durchs All und schlagen hier und da bei mir ein. Irgendwo leuchtet aber bereits eine kleine Energiesparkerze – Entschleunigung verheißend. Es schleicht sich eine milde, solarweihnachtliche Stimmung ein.
Viele potenzielle Kommunikationspartner sind gar nicht mehr in ihrem Büro. Die meisten sitzen auf einer Insel. Schicke ich eine E-Mail an einen Umweltaktivisten in Bonn, schickt der postwendend Grüße aus Bali. Bali! Ach, da werde ich ganz besinnlich, denke gleich an Strand und Palmen und an das Hemd von Yvo de Boer, dem Chef des UN-Sekretariats. Den sah ich in den letzten Tagen auf der UN-Homepage bei der täglichen Pressekonferenz. So ein schönes, heiteres, buntes Hemd. Das gab mir Hoffnung, und darum geht es auch beim Klimaschutz.
Weil es so heiß war, haben die in Bali erst mal ganz locker die Krawatten abgelegt. Total relaxed. Schon die Abkürzung der Klimarahmenkonvention ist unkonventionell und führt beim wiederholten Lesen zu einer gewissen Entspanntheit: UNFCCC. Auf französisch: CCNUCC. Ob es auf Bali Bier gibt? Auf jeden Fall bemüht man sich dort redlich, die Welt zu retten.
Ganz entspannt war auch der Beamte vom niederländischen Umweltministerium, den ich vor Tagen in Maastricht gesprochen habe. Er war gerade auf dem Sprung. Nach Bali. Er hoffe, das allgemeine Hochdruckgebiet in Sachen Klimaschutz halte noch ein paar Monate. Das helfe nämlich auch der Artenvielfalt und anderen UN-Konventionen.
Das klingt jetzt erst mal merkwürdig, doch das sagen viele, die in Europa Umweltpolitik machen. Die Stimmungskanone Klimaschutz hilft auch anderen Themen auf dem hart umkämpften Markt der politischen Aufmerksamkeit. Als habe sich für eine kurze Zeit ein grünes Adventskalenderfensterchen geöffnet. Take your chance.
Darum sind die „green vibrations“ auch im Inland der Schlüssel zur solaren Effizienzrevolution. Das Dilemma war nämlich bisher Folgendes: Zunehmende Umweltberichterstattung war beim Individuum gekoppelt mit zunehmend schlechter Stimmung. Die neuen Krebsstudien zu Atomkraftwerken lösen bei vielen sofort leichte Kopfschmerzen aus. Das ist eben diese deutliche lineare Kurve von Umweltproblem und Verdruss. So ähnlich wie bei Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch. Entkopplung heißt in beiden Fällen das Zauberwort, also auch im Angesicht der Ökodepressionsfalle. Darum haben wir das Konzept des „Ökotainments“ entwickelt. Ökotainment wird wahrscheinlich weltweit der Trend des Jahres 2008. Die Kalifornier finden das auch. Das ist jetzt frei erfunden, hilft aber ungemein, das Konzept in Deutschland zu verkaufen.
Was aber ist Ökotainment? Dazu habe ich einen Prototypen entwickelt. Exklusiv beschert diese Kolumne allen taz-LeserInnen dieses Jahr ein besonderes Weihnachtsgeschenk auf taz.de: www.taz.de/oekosexvideo. Es handelt sich um ein Musikvideo mit dem Titel „Weihnachten ohne Atom“ der Kolumnenband Ökosex. Genauer gesagt handelt es sich um Öko-Karaoke für den Karaoke-Öko. Gedacht für gesellige Weihnachtsfeiern Ihrer Firma, heitere Abende zu Hause mit Ihren Liebsten unterm Baum.
Singen Sie wie jedes Jahr „Rudolf, das rote Nasen-Rentier“. Aber singen Sie dieses Jahr eben auch „Was ist schöner als Weihnachten? Schöner als Weihnachten? Weihnachten ohne Atom!“. Karaoke entspannt nämlich unglaublich, und die Botschaft kommt da an, wo sie hingehört: tief im Herzen. Ich muss mich an dieser Stelle bei meinem Maastrichter Nachbarn André Rieu bedanken. Er hat die Band unglaublich inspiriert und die Aufnahmen sind eine Hommage an unsere geliebte Stadt.
Übrigens, mein Freund Krisy in Karlsruhe plant jetzt ein eigenes Kraftwerk auf dem Dach. Er wird Stromproduzent. Also war der „Licht aus – Licht an“-Aktionstag doch ein Erfolg. Wenn das beim nächsten Mal mit Ökotainment verbunden wird, dann schöne Weihnachten, ihr lieben Kohle- und Atomkonzerne.
MARTIN UNFRIED
ÖKOSEXFragen zu Ökotainment? kolumne@taz.de Montag: Peter Unfried über seine CHARTS