■ MARCIA PALLY: Die Auswirkungen des Ozonlochs auf die Familienplanung
Die New Yorker Journalistin Marcia Pally ist in den USA als radikale Feministin bekannt und gleichzeitig als Chef –Filmkritikerin von 'Penthouse'. Sie schreibt unter anderm für 'The Village Voice', 'The New Yorker', 'The Nation'. Und einmal im Monat in der taz, was Europäer über den großen Bruder wissen sollten. *
1400 Häftlinge aus dem Santa Ana Gefängnis in Kalifornien hatten gerichtliche Schritte gegen die Gefängnisverwaltung eingeleitet, die sich weigerte, mexikanisches Essen, Chilies und Tabasco-Sauce auf den Speise-Plan zu setzen. Der verantwortliche Beamte lehnte die Forderung der Insassen mit der Begründung ab, Chilies könnten als Waffen gegen die Gefängnis-Wärter eingesetzt werden. Die Gefangenen konterten, ihre scharfe Küche sei ein wesentlicher Bestandteil ihrer Kultur. Nach Austausch von Feindseligkeiten und beidseitiger Unnachgiebigkeit landete die Angelegenheit vor Gericht. Hierzulande eine traditionsreiche und bewährte Form der Auseinandersetzung, da sie sowohl teuer, als auch werbewirksam ist. Nimmt man jetzt noch den Gleichheitsgedanken hinzu, sieht man zumindest in Santa Ana, daß den Häftlingen eine bemerkenswerte Anpassung an den american way of life gelungen ist. *
Die Einwohner von Wabash, Indiana, verbannten die Zeitschrift 'Sassy' aus ihren Supermärkten, weniger wegen ihrer Nacktfotos, als wegen der offenen Diskussion über Geburtenkontrolle, Abtreibung, Jungfräulichkeit und Homosexualität. Außerdem wurden die zwei größten Inserenten des Magazins von Jerry Falwell unter Druck gesetzt, ihre Anzeigen abzuziehen, weil das Blatt einen zersetzenden Einfluß auf Frauen und Familien ausübe. 'Sassy' wird von Mathilda Publications Inc. herausgegeben, der auch die Zeitschrift 'Ms' angehört. Seit Erscheinen des Meese-Reports vor zwei Jahren, üben konservative Gruppen aus dem ganzen Land Druck auf Einzelhändler aus, keine Pornografie zu verkaufen. Neuerdings befinden sich auch Magazine wie 'Glamour', 'Cosmopolitan' und 'American Photography' auf ihrem Index. Der Vorsitzende der American Family Association, Donald Wildmon war besonders stolz auf seine erfolgreiche Aktion mit der er CBS, eine der vier größten Fernsehstationen, dafür gewann, drei Sekunden aus einer Mighty-Mouse Szene herauszuschneiden. Gezeigt wird, wie Mr. Mouse an einer Blume schnüffelt. Das sehe so aus, als ob die berühmte Maus Kokain schnüffelt, meinte Reverend Wildmon. Und wie heißt es noch? „Schönheit liegt im Auge des Betrachters.“ (Augentier! Wozu hast du deine Nase? d.L.)
Die letzte Ausgabe des Journal of American Medical Association berichtet, daß Kondome durch Ozongas beschädigt werden können. Die Nachricht war umso entmutigender, als die Wissenschaftler herausfanden, daß die Mengen Ozongas, die sie bei ihren Experimenten verwendeten, den Werten entsprachen, die man häufig in Süd-Kalifornien mißt. Ein Problem mehr für all die gutwilligen Männer dieser Welt schließlich ist auch die Hitzewelle dieses Jahres auf den Einfluß erhöhter Ozonwerte zurückgeführt worden. Diese Neuigkeiten verliehen einer Studie des New-Yorker Guttenmacher Instituts einen besonderen Nachdruck. Danach sind andere Verhütungsmittel teurer und weniger gut erhältlich als in Europa, Kanada, Australien und Neuseeland. Vielleicht ist dies ein Grund dafür, daß in den Vereinigten Staaten die Zahl der ungewollten Schwangerschaften seit 1980 um vier Prozent gestiegen ist. Ebenfalls um vier Prozent erhöhte sich die Zahl der Kinder, die nur mit einem Elternteil leben. Seltsamerweise stieg auch die Zahl der Kinder, die unterhalb der Armutsgrenze leben um die gleichen 4 Prozent. Trotzdem hat es Reagan geschafft, beim obersten Gerichtshof genug Stimmen zu sammeln, um Abtreibungen unter Strafe zu stellen. *
Statt Geld für lästige Familienplanungsstellen auszugeben, investiert die amerikanische Regierung unsere Steuergelder in ein neues Programm der chemischen Kriegsführung und in eine Werbekampagne, die das Stigma, das der amerikanischen Rüstung anhaftet, wegpolieren soll. Da auch weiterhin Millionen in den Krieg der Sterne verschleudert werden sollen, empfahl Energieminister John Herrington den Wissenschaftlern des Laurence Livermore National Laboratory ihre Vorbehalte gegen Laserwaffen für sich zu behalten. Seinen gelungensten Ausdruck fand dieses für die Reagan –Administration so typische Demokratie-Verständnis in den jüngsten Äußerungen des kalifornischen Senators Bill Craven. Als er feststellte, daß sich 29 Bürgerinitiativen im November zur Wahl stellten, riet er seinen Kongress-Kollegen aufzupassen – „sonst wird die Regierung noch vom Volk übernommen“.
Aus dem Amerikanischen vonTina Bausmann
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