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MAKEDONIEN: NATO UND BUNDESWEHR WERDEN DEN FRIEDEN NICHT RETTENFalsche Schlichter

Sollte der Bundestag tatsächlich während der Sommerpause zu einer Sondersitzung zusammentreten, um über die deutsche Beteiligung an einem Nato-Einsatz in Makedonien abzustimmen, dann steht ein Ergebnis schon jetzt fest: Die Entscheidung wird falsch sein – wie immer sie ausfällt. Es gibt einen Zeitpunkt, zu dem sich Fehler der Vergangenheit nicht mehr straflos korrigieren lassen und nur die Wahl zwischen schlechten und noch schlechteren Lösungen bleibt. Dieser Zeitpunkt ist in Makedonien erreicht. Und daran tragen ausgerechnet jene ein gerüttelt Maß an Schuld, die jetzt die Situation dort stabilisieren wollen.

Ein offener Bürgerkrieg in Makedonien dürfte kaum noch zu verhindern sein, wenn die albanischen UÇK-Kämpfer nicht entwaffnet werden. Die Antwort auf die Frage, wie es so weit kommen konnte, lässt es jedoch als äußerst zweifelhaft erscheinen, dass ausgerechnet die Nato fähig und willens sein sollte, diese Aufgabe zu erfüllen. Im Kosovo haben die internationalen Truppen allen vorherigen Zusagen zum Trotz die UÇK eben keineswegs entwaffnet – und die Rebellenorganisation dadurch überhaupt erst in die Lage versetzt, ihre Verbündeten im Nachbarland aufzurüsten. Eine Entmachtung der Kosovo-UÇK ist nach wie vor geboten. Für eine Stabilisierung Makedoniens aber reicht es inzwischen nicht mehr aus, allein den Kurs im Kosovo zu ändern. Dafür sind die Rebellen dort bereits zu stark geworden.

Gibt es also zu einer Nato-Operation keine Alternative, wenn weiteres Blutvergießen verhindert werden soll? Immerhin ist ja wenigstens die Auslangslage in Makedonien eine völlig andere als seinerzeit im Kosovo. Damals führte die westliche Allianz einen Angriffskrieg ohne UN-Mandat. Im vorliegenden Fall käme die Nato auf Bitten der Regierung eines souveränen Staates ins Land. Dafür wird kein Mandat der Vereinten Nationen gebraucht. Und eine Entwaffnungsaktion ist etwas anderes als ein Luftkrieg. Aber die Situation in Makedonien lässt sich noch in anderer Hinsicht nicht mit der im Kosovo vergleichen, und dieser Aspekt liefert einen gewichtigen Einwand gegen die Nato-Operation. Ließ sich der Kampf der UÇK im Kosovo angesichts der systematischen, staatlichen Menschenrechtsverletzungen noch bis zu einem gewissen Grad rechtfertigen, so kann davon in Makedonien keine Rede sein. Die UÇK ist dort nichts anderes als eine terroristische Organisation, die einer politischen Lösung im Wege steht.

Ausgerechnet diese Organisation erhofft sich nun von der Präsenz der Nato eine weitere Stärkung ihrer Position und vielleicht sogar eine faktische Teilung Makedoniens. Dass diese Hoffnungen nicht unbegründet sein müssen, zeigt die Tatsache, dass Nato-Truppen unter Führung der USA zu Beginn der Woche den Abzug von Rebellen und all ihren Waffen aus dem makedonischen Dorf Aračinovo geschützt haben. Diese Aktion hat die UÇK-Terroristen in den Rang legitimer politischer Verhandlungspartner erhoben, die Glaubwürdigkeit der Nato in Makedonien beschädigt und schürt selbst bei gemäßigten Teilen der Bevölkerung eine Wut, die zu einer bedrohlichen Radikalisierung in dem kleinen Land geführt hat.

Vor dem Hintergrund all dieser Faktoren könnte die Entscheidung über eine Beteiligung der Bundeswehr an einer Nato-Operation in Makedonien schwierig sein. Aber der Bundestag scheint es sich leicht machen zu wollen. Die Union erklärt den Etat der Streitkräfte zum zentralen Thema, die FDP fordert seltsamerweise ein UN-Mandat, die PDS ist irgendwie ganz grundsätzlich gegen Militäroperationen, und Bundeskanzler Schröder verweist wieder einmal auf die internationalen Verpflichtungen. Immerhin fordert er auch eine politische Definition dessen, was die Nato in Makedonien eigentlich erreichen wolle. Ja, das wäre schon schön, wenn es wenigstens die gäbe. BETTINA GAUS

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