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Archiv-Artikel

Luxushappen Zugvogel

TOD In Ägypten gelten die Tiere als Delikatesse

„Mindestens 10 Millionen Zugvögel fallen der Jagd in Ägyptens Küstenregion jährlich zum Opfer“

VOGELSCHUTZEXPERTE LARS LACHMANN

BERLIN taz | Eine Falle erstreckt sich fast ununterbrochen entlang der 700 Kilometer langen ägyptischen Mittelmeerküste. Für Millionen von Zugvögeln endet hier jährlich ihre Reise. Drei bis fünf Euro bringt jeder frittierte Vogel auf dem Markt ein. Ein lukratives Geschäft, welches das Fortbestehen von Nachtigall, Wendehals, Neuntöter und Steinschmätzer bedroht.

Jeden Herbst fliegen zwei Milliarden Zugvögel von Europa nach Afrika, wo sie überwintern. Die Hälfte davon zieht über Ägypten. Sobald sie den Küstenstreifen erreichen, landen sie zur Rast. Zwischen Libyen und Gaza erwartet sie jedoch der Tod in vier Meter hohen Netzen.

„Mindestens 10 Millionen Zugvögel fallen der Jagd in Ägyptens Küstenregion jährlich zum Opfer“, sagt Lars Lachmann, Vogelschutzexperte des Naturschutzbundes Nabu. Die Naturschützer sind alarmiert. „Mit Vogelfang wird in Ägyptens Küstenregion schon lange Geschäft gemacht. In den letzten Jahren jedoch war die Jagd wohl auch aus Angst vor der Vogelgrippe zurückgegangen“, sagt Lachmann, der noch bis zum 4. November Unterschriften für eine Petition an die Regierungen Ägyptens und Deutschlands sammelt.

Das Bundesumweltministerium hat sich ebenfalls eingeschaltet. Bereits im April bat Staatssekretärin Katherina Reiche den damaligen Ägyptischen Umweltminister Chaled Fahmy, sich „der Thematik anzunehmen“. In dem Brief heißt es: „Vogelfang und Vogeljagd müssen effektiv reguliert und auf ein nachhaltiges Maß reduziert werden.“ Vom damaligen Ministerium wurde das Problem zunächst nicht als solches anerkannt. „Die neue Regierung macht uns aber Hoffnung“, sagt Lachmann.

Mittlerweile hat die Bundesregierung 20.000 Euro als Sofortmaßnahme zur Verfügung gestellt. „Im Augenblick besprechen wir mit Aktivisten vor Ort, wie das Geld verwendet werden kann“, sagt Lachmann. Als Erstes werde in den kommenden Tagen ein Team nach Ägypten entsendet, das untersuchen soll, wie die Jagd abläuft, welche Arten betroffen sind und ob sich das Problem nach Libyen verbreitet.

Lachmann findet die Situation kompliziert. „Es geht auch um Korruption, Staatsgewalt und die wirtschaftliche Situation Ägyptens.“ Die Küste ist militärisches Sperrgebiet, da Grenzgebiet. Um Netze aufstellen zu können, bedarf es einer Erlaubnis des Militärs. Die Jäger, so Lachmann, seien meist Privatunternehmer, die sich in kleinen Händlerringen zu Fang, Transport und Verkauf zusammenschlössen. Das Geschäft sei lukrativ und ein Vogel „kein Armeleuteessen, sondern ein Luxushappen“. LEONIE SONTHEIMER JAKOB STRULLER