Luxus-Neubau in Prenzlauer Berg: Bauherr plant Kahlschlag
Ein Investor will Wohnungen an der Belforter Straße abreißen und durch teure Neubauten ersetzen. Die Anwohner wehren sich. Manche wohnen hier seit 50 Jahren.
Eva Lepczik ist 72 und lebt seit 1961 in der Belforter Straße 7. Im vordersten der drei Blockbauten zwischen Belforter, Metzer und Straßburger Straße in Prenzlauer Berg. Sie hat die einstige Genossenschaftswohnanlage der Humboldt-Universität mit aufgebaut, sagt sie. Hat Bäume gepflanzt, Kinder hier aufgezogen, duzt die Nachbarn. Nun hat Eva Lepczik Angst, dass sie umziehen muss. "Wenn die hier bauen, kann ich mir nicht mehr leisten, hier zu wohnen." 368 Euro Miete zahlt sie für 59 Quadratmeter.
Bisher. Die Firma "Econcept Wohnen in Prenzlauer Berg", die vor zwei Jahren in unmittelbarer Nähe das Luxusdomizil "Palais Kolle Belle" gebaut hat, wird das Grundstück sehr wahrscheinlich kaufen und Häuser mit rund 20 Wohnungen abreißen. Stattdessen sollen schicke Neubauwohnungen entstehen. Wer ausziehen muss, bekomme eine Abfindung, kündigte Econcept an. Oder eine andere Wohnung in der neuen Wohnanlage. Die allerdings, befürchten die Bewohner, wäre deutlich teurer als bisher.
Die Mieter haben eine Initiative gegen das Bauvorhaben gegründet. Mittlerweile hat sich sogar Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) eingeschaltet, der hier seinen Wahlkreis hat. Am Dienstag haben Thierse und die Bezirksverordneten der Pankower SPD, Klaus Mindrup und Roland Schröder, zum Ortstermin eingeladen, 30 Bewohner sind gekommen. Die Neufassung der Bauordnung für Berlin lasse seit zehn Jahren eine sehr dichte Bebauung zu, sagt er. "Aber man muss ja nicht immer alles machen, was man darf", erklärt Thierse. Das Bezirksamt habe verpennt, sich mit dem nötigen Nachdruck für die sozialen Belange der Mieter einzusetzen. Die SPD fordert einen Sozialplan, damit jene Mieter, die sich die neuen Wohnungen nicht leisten können, einen Ersatz kriegen. Auf Drängen lässt sich Roland Schröder sogar zu einer vagen Versprechung hinreißen: Ein Ziel könnte sein, den Status quo zu erhalten. "Genau", ruft ein Mieter. "Wir wollen überhaupt nicht, dass hier was verändert wird."
Ganz so einfach sei es aber nicht, findet Pankows Baustadtrat Michail Nelken (Linkspartei): Im Juni hat die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) einen Aufstellungsbeschluss über einen Bebauungsplan gefasst. Bedeutet: Der Bebauungsplan für dieses Gebiet ist für die kommenden zwei Jahre in der Mache, und Anwohner, Träger öffentlicher Belange und ebenfalls der Investor können sich an der Gestaltung beteiligen. Die Erhaltung des Status quo, wie es auch die Grünen gefordert hatten, sei nicht denkbar.
Bisher habe die Firma Econcept laut Nelken lediglich eine Voranfrage zu einem Bauantrag gestellt. Und die verträgt sich nicht mit dem momentan zumindest rudimentär bestehenden Bebauungskonzept. "Zumindest noch nicht", sagt Nelken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Ärzteschaft in Deutschland
Die Götter in Weiß und ihre Lobby
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid