: Lustverschwendung
Abend gerettet: Ensemble der Shakespeare Company nutzt Text-Ödnis als schauspielerischen Freiraum
Es ist möglich, ein herausragend langweiliges Drama zu einem Schauspiel-Fest zu machen: Die Uraufführung des von Chris Alexander mithilfe von Shakespeare, Christopher Marlowe,Kleister und Lessing gebastelten Stücks „Eine Geschichte von Liebe und Hass auf Malta“ durch die Shakespeare Company bietet nicht den ersten, aber einen der schlagendsten Beweise für diese Theater-Wahrheit: Langatmig und betulich breitet Verfasser und Regisseur Alexander in zweieinhalb Stunden eine Geschichte aus, die sich bequem in zwei Sätzen erzählen lässt: Ein Fürst leiht seine Macht einem Stellvertreter, der sie tyrannisch missbraucht. Dann kehrt er bejubelt zurück, bestraft den Übeltäter, ohne aber dessen Saat am Aufgehen hindern zu können.
Das ist natürlich wahnsinnig aktuell und superpolitisch, weil der Ersatz-Herrscher ein Jesuit ist und die Repressalien nacheinander die bisher friedlich nebeneinander das Land bevölkernden Konfessionen Islam und Judentum treffen, wobei man, logisch, sofort an Nahost denkt. Das soll man natürlich auch: Ihm sei es darum gegangen, so Alexander, einen Grundkonflikt darzustellen, ersonnen habe er die Intrige „angesichts der Spirale der Gewalt zwischen Israel und Palästina“ und „das Publikum“ könne ja „den Bezug“ zwischen der in „alter Zeit“ angesiedelten Handlung „zur heutigen Realität selber herstellen.“
So verfährt, wer selbst nichts zum Thema beisteuern kann, und infolgedessen nicht in der Lage ist, die darzustellenden Grundkonflikte zu motivieren. Problematisch an ihr ist nur, dass durch sie die Vorlagen – geplündert werden „Der Jude von Malta“ von Marlowe, Shakespeares „Maß für Maß“ und Lessings „Nathan“ – jede Dynamik verlieren: Eine Geröll-Wüste bleibt eine Geröll-Wüste, auch wenn die Trümmer reinster Marmor sind.
Ein Gewinn, ja ein wahrer Genuss wird der Abend allein für den, der sich weigert, den „Bezug zur heutigen Realität herzustellen“ und dem es gelingt, den jämmerlichen Plot zu vergessen. Denn die Text-Ödnis aus Versatz-Szenen nutzen die Akteure – verschwenderisch – als Frei- und Spielräume ihrer kreativen Energien: Thomas C. Zinke beispielsweise, als Aushilfs-Tyrann eher leidlich, gibt zugleich einen charmant-sentimentalen Henker, naiv bis zum Zynismus – das ist sehr sehenswert. Und Gleiches gilt von Svea Meiken Petersens Kuppler Hassan: Ein Abziehbild, versteht sich, aber witzig ist es doch.
Das größte Spektrum allerdings deckt Petra Janina Schultz ab, ohne Durchhänger in vier Rollen, als Puffmutter, als Verurteilte, als ein verschlossener-intriganter Sklave und als Nonne Theresa, die gegen das über ihren Bruder verhängte Todesurteil ankämpft: Es ist Lust im Spiel, das überträgt sich und das kann bewegen. Als hätte man per Zufall und wie aus Versehen in ein sinnvolles Theaterstück gezappt. bes
Nächste Aufführung 5.2., 19.30 Uhr