Lukas Podolski über die EM: „Ich zeige keine Tränen“
Der Nationalspieler wird vermutlich am Donnerstag gegen Italien nicht in der Startelf stehen. Der offensive Mittelfeldspieler nimmt es gelassen.
taz: Herr Podolski, können Sie sich noch an das Tor des Italieners Fabio Grosso erinnern, der Deutschland 2006 den Weg ins WM-Finale verbaut hat?
Lukas Podolski: Ja, leider. Wir waren eigentlich gut dabei. In der Verlängerung hat uns aber ein bisschen die Kraft gefehlt. Die Italiener waren zu diesem Zeitpunkt besser. Mit dem Tor war der Traum vorbei. Als ich den Ball einschlagen sah, gab es diesen Moment der Leere.
Michael Ballack war den Tränen nahe.
Na ja, ich bin ja eher einer, der Tränen nicht so zeigt.
Spielt das WM-Halbfinale jetzt noch eine Rolle?
Nee, weil wir jetzt eine ganz andere Mannschaft sind, die auch ein anderes System spielt. Wir spielen mittlerweile den besseren Fußball, wir haben eine bessere Qualität und dadurch auch die besseren Chancen im Halbfinale.
Das Gespräch mit Lukas Podolski, 27, hat taz-Reporter Markus Völker nicht allein mit dem künftigen Profi des FC Arsenal London geführt. Am Tisch saßen auch Journalisten der Frankfurter Rundschau und der Badischen Zeitung. Beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) sind meist nur sogenannte Poolinterviews möglich mit mehreren Kollegen. Diese nehmen als Vertreter ihres Pools den Interviewtermin wahr und verschicken anschließend die Interview-Transkripte an die restlichen Poolmitglieder. Die taz hat einen Pool mit der Neuen Zürcher Zeitung gebildet. Der größte Pool besteht aus einem Zusammenschluss von 14 Regionalzeitungen. Nur wenige Medien bekommen Exklusivinterviews, wie etwa Der Spiegel, Kicker, der Stern, FAZ oder Süddeutsche Zeitung.
Italien ist der Underdog?
Ich habe, ehrlich gesagt, gar nicht mit den Italienern gerechnet. Es ist schon überraschend, dass sie so weit kommen, auch wegen der Unruhe vorm Turnier, dem Wettskandal zum Beispiel. Aber sie haben sich überzeugend durchgespielt.
Sie treffen im Semifinale auch auf Andrea Pirlo, den Künstler am Elfmeterpunkt.
Um so einen Elfer zu treten, braucht man echt Eier. Sensationell. Wenn er nicht trifft, kriegt er auf die Schnauze, wenn er trifft, redet die ganze Welt davon. Ich möchte nicht wissen, was in Deutschland passieren würde, wenn ich so ein Ding versemmeln würde.
Das Halbfinale findet am Donnerstag in Warschau statt. Das macht das Spiel für Sie doppelt wichtig, oder?
Zwei große Turniere in meinen Heimatländern zu spielen, 2006 in Deutschland und jetzt in Polen, ist großartig. Ich mag die Polen, sie haben ein großes Herz. Ich mache hier gern mit meiner Familie Urlaub. Ich habe immer gesagt, dass ich mir vorstellen kann, meine Karriere bei meinem Lieblingsverein Gornik Zabrze zu beenden. Vielleicht mit Ende 40. Aber versprochen ist nichts.
Nun könnte es passieren, dass Sie am Donnerstag nicht spielen, jedenfalls nicht von Anfang an. Wie sehr sorgt Sie das?
Natürlich ist man enttäuscht, wenn wir im Viertelfinale gegen Griechenland das erste Match in Danzig in Polen spielen, wo die Familie dabei ist und ich nicht spielen darf. Aber ich bin überzeugt, dass ich gegen Italien auf dem Platz stehen werde.
Was macht Sie so sicher?
Ich habe so ein Gefühl. Ich hatte auch ein gutes Gespräch vor dem Griechenland-Spiel.
Wie ist das, wenn man als Stammspieler, der 100 Länderspiele hat, jetzt zittern muss?
Wer sagt denn, dass ich nicht mehr Stammspieler bin? Ich habe schon so viel erlebt, so viel mitgemacht. Wenn ich einmal auf der Bank sitze, dann geht doch die Welt nicht unter. Es gibt noch so viele Jahre, die vor mir liegen, so viele Spiele.
Wie hat der Bundestrainer den Tausch begründet?
Er wollte etwas ausprobieren. Das ist sein gutes Recht. Er muss nicht alles begründen und immer argumentieren. Er steuert die Mannschaft.
Der Konkurrenzkampf im Team ist größer geworden.
Ja, aber das hat für mich absolut nichts Negatives. Ich will zwar immer spielen, aber ich kann der Mannschaft auch von außen helfen. Was ich erreicht habe, kann mir keiner mehr nehmen. Ich mache so weiter wie bisher. Jetzt mit Wut oder Frustration an die Sache ranzugehen, das wäre der größte Fehler, den man machen kann. Und dass junge Spieler nachkommen, ist gut. Schauen Sie sich die Engländer oder Italiener an. Das wächst nur wenig nach. Wir haben es besser.
Joachim Löw hat Sie immer als Gefühlsmenschen charakterisiert. Was meint er damit?
Ich weiß nicht.
Sie brauchen eine vertraute Atmosphäre und Vertrauen vom Coach.
Das braucht jeder Spieler. Aber ich würde natürlich nicht irgendwohin wechseln in eine Umgebung, wo ich niemanden kenne und wo ich keine vertrauensvolle Umgebung habe. Ich will mich wohl fühlen. Es gibt natürlich Fußballer, denen das alles egal ist, die nur einen guten Vertrag haben wollen und nach drei Jahren sind sie wieder weg. So bin ich nicht. Ich muss überzeugt sein. Wie in Köln und demnächst in London. Ich hatte gute Gespräche mit Arsene Wenger. Die Familie wird mich nach London begleiten. Das ist wichtig.
Ist die Nationalmannschaft wie eine Familie für Sie?
Ich bin seit 2004 dabei. Mit einigen bin ich also seit 8 Jahren zusammen. Da entwickelt man Sympathie und fühlt sich wohl. Wenn sich wie in Köln ständig die Positionen in der oberen Etage ändern, dann kann man nichts entwickeln. Mir haben in Köln irgendwann die Bezugspersonen gefehlt. Das ist in der Nationalmannschaft anders. Wenn die Nationalmannschaft ein Verein wäre, dann wäre es optimal.
Mögen Sie die Defensivarbeit eigentlich?
Es ist eine Frage der Einstellung und der Aufgabenerfüllung. Klar bin ich eher ein offensiver Typ. Beim FC habe ich die letzten drei Jahren offensiv in der Zentrale gespielt. Das ist meine Stärke. Aber ich denke immer im Sinne der Mannschaft.
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