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■ Das PortraitLuciano Liggio

Der Mafiaboß starb im Knast an Herzinfarkt Foto:ap

Eigentlich hieß er gar nicht Liggio, sondern Leggio, doch der kleine Schreibfehler, der 1948 einem Polizeibeamten seines Heimatortes Corleone im Hinterland von Palermo unterlief, hatte langanhaltende Folgen: Mehr als zwei Jahrzehnte schlüpfte der Mann immer wieder durch Polizeikontrollen. Er bekam den Beinamen „Primula rossa“ – Italiens Symbol für etwas, das so schwer zu finden ist wie die Rote Primel.

Seit Beginn der 60er Jahre zählte er zu den gefürchtetsten Mafiabossen der Welt; und dabei blieb es. Zwar wurde er 1964 verhaftet, entlief jedoch zwei Jahre danach und wurde erst 1974 wieder gefangen. Seither saß er. Seine „Corleonesier“ leitete er unangefochten weiter. Am Montag ist er, 68jährig, im Gefängis an einem Herzinfarkt verschieden.

Liggios Blick war eiskalt. Wenn er jemanden fixierte, rückten alle von dem Pechvogel ab – es bedeutete das Todesurteil. Schon in den 40er Jahren stand er im Ruch, einen sozialistischen Gewerkschafter umgebracht zu haben, im Laufe der Jahre soll er nach Polizeimeinung an die 30 Menschen getötet oder deren Ermordung angeordnet haben, darunter auch den hochangesehenen Ermittlungsrichter und Parlamentarier Cesare Terranova. Verurteilt wurde er nur einmal – da allerdings zu lebenslänglich – für den Mord an seinem eigenen Clanchef, dem Arzt Michele Navarra aus Corleone. Liggios Verhalten vor Gericht gab stets Rätsel auf. 1987 während des „Maxi- Prozesses“ präsentierte er sich als Retter des Vaterlandes: 1970 seien Rechtsputschisten bei ihm vorstellig geworden, die einen Staatsstreich planten; er persönlich habe die Aktion gestoppt. Häufiger jedoch brachte er Ermittler und Ankläger durch schlagfertige Repliken in Schwierigkeiten. Auf die Frage, ob er die Existenz der Mafia leugne, antwortete er: „Es gibt eine parlamentarische Antimafiakommission. Also wird's wohl auch die Mafia geben.“ Punkt.

Seinen Clan brachte er Ende der 70er Jahre in Palermo an die Macht, indem er die bis dahin herrschenden Clans total zusammenschießen ließ. Der Öffentlichkeit gab Liggio sich als „klassischer Mafioso“: keine Rebellion im Gefängnis, keine Klagen. Und er zeigte sich als Wohltäter: So ließ er das unvollendete Kriegerdenkmal seiner Heimatstadt auf seine Kosten fertigstellen. Werner Raith

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