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Lokalkoloratur: Hannes Wader

LOKALKOLORATUR

Als ich geboren wurde, da fing der rote Hannes gerade damit an, zum Wimmerholz Balladen über das proletarische Selbstbewußtsein zu singen. Mit Texten, die einem ob ihrer schamlosen Stilisierung von Unwirklichkeiten heute die Tränen in die Augen treiben, wurde Hannes Wader zum guten Onkel der DKP und zum Fürchtenicht einer klassenlosen Kultur. Heute, drei Dekaden später, wirkt der einsame Rufer wie ein Fossil aus der Baugrube marxistischer Weltherrschaftsträume. Im Gegensatz zu anderen linken Liedermacher- Antiquitäten wie Franz-Josef Degenhardt oder Wolf Biermann ist Wader aber nie zur späten Gesellschaftsfähigkeit gelangt. Vielmehr verhinderte es seine Bauernsturheit, daß sich spätere Generationen unrechtssensibler Musiker anders als mit Spott auf ihn beriefen. Daß er sein neues Programm, mit dem er heute abend in der Fabrik gastiert, „Schon so lang — 62-92“ betitelt hat, führt unweigerlich zu der Frage: „Ja, warum eigentlich?“ Denn linke Nostalgie, entleert von Prozessen und Reflexionen, die sich an glorreichen Themata berauscht und ihre Selbstbehauptung mit den alten Irrtümern versucht, ist im Bereich der Kultur nicht minder unerträglich wie im Bereich des russischen Volksdeputierten- Kongresses. tlb

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