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Lohn-StudieMillionen bekommen Armutslohn

Fast 8 Millionen Menschen in Deutschland fielen beim Einkommen 2010 unter die Niedriglohnschwelle von derzeit 9,15 Euro. Und es geht noch tiefer.

Fenster putzen bringt nicht viel ein. Bild: dpa

BERLIN taz | In Deutschland arbeiten mittlerweile fast acht Millionen Menschen für einen Niedriglohn. Das zeigt eine neue Studie des Instituts Arbeit und Qualifikation.

Danach fiel 2010 das Einkommen von fast 23,1 Prozent aller Beschäftigten, darunter Schüler, Studierende und Rentner, unter die Niedriglohnschwelle von derzeit 9,15 Euro. Der Wert wird bei zwei Dritteln des mittleren Stundenlohns angesetzt.

Doch auch die Zahl 9,15 Euro beschreibt nicht die ganze Realität. So lagen die Durchschnittsstundenlöhne im Niedriglohnbereich im Jahr 2010 im Westen bei 6,68 Euro, im Osten bei 6,52 Euro. Und es geht noch tiefer: In den vergangenen Jahren ist der Niedriglohnsektor nach unten ausgefranst.

Die Forscher Thorsten Kalina und Claudia Weinkopf machen mehr als 2,5 Millionen Personen aus, die unter sechs Euro in der Stunde verdienen. Fast 1,4 Millionen davon bekommen sogar weniger als fünf Euro. Besonders betroffen von diesen Niedrigstlöhnen sind Frauen, Ostdeutsche und Minijobber. Doch auch fast 800.000 Vollzeitbeschäftigte bekamen weniger als sechs Euro in der Stunde.

In absoluten Zahlen sei die Zahl der Niedriglohnbeschäftigten in den letzten Jahren nicht gestiegen, sagen die Forscher. Seit 2007 liegt sie bei rund acht Millionen Personen. Die größte Zunahme von Armutsjobs fand demnach zwischen 1995 und 2007 und vor allem in Westdeutschland statt. Als Gegenmaßnahme fordern Kalina und Weinkopf einen gesetzlichen Mindestlohn, der für „alle Branchen und Beschäftigtengruppen“ gelten müsse.

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12 Kommentare

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  • HD
    Horst Dahlem

    Vor dem Hintergrund dieser Diskussion ist es vieleicht hilfreich sich die gesellschaftliche Situation anzusehen um die Verarmung von ca.acht (8)Millionen Menschen nachvollziehen zu können.Zunächst möchte ich unterstellen daß es politisch gewollt ist ca.20 - 30 Prozent der Gesamtbevölkerung in den Niedriglohnsektor - und damit in die Verarmung - zu schicken.So ein massiver Einschnitt in das gesamtgesellschaftliche Gefüge muß über einen langen Zeitraum Schritt für Schritt geplant und über die Parteigrenzen hinweg umgesetzt werden.Wichtig dabei ist es den Menschen die Fähigkeit der aktiven Mitgestaltung in der Politik zu nehmen.Das lässt sich über ein leistungsschwaches Schulsystem in Verbindung mit freien privaten Medien (Fernsehsender) vorbereiten.Wenn bildungsferne Mitbürger triviale Literatur und gleichwertige Presseerzeugnisse lesen und das Nachmittagsprogramm der privaten Fernsehsender konsumieren ist es nur noch eine Zeitfrage bis der klare Menschenverstand kapituliert.Bürger welsche keinen Bezug mehr zu ihrer Geschichte herstellen können,nicht über das kognitive Rüstzeug verfügen die Intentionen breit aufgestellter Medien zu duchschauen,ja nicht einmal im groben die Funktionsweise einer demokratischen Gesellschaft verstehen;denen lässt sich ein geringer Lohn mit diversen Sachzwängen erklären.Vor dem Hintergrund einer - durchaus gewollten - Massenverblödung geht es uns eigentlich noch viel zu gut.Wie war das mit der Macht die dem Volk ausgeht?Jedes Volk hat die Regierung die es verdient!

  • Y
    yonni

    Die Ursache ist ganz einfach der grundgesetzwidrige § 10 des SGB II:"Jede Arbeit ist zumutbar, ...", die Bezahlung spielt keine Rolle, man kann ja aufstocken.

    Ohne diesen Zwangsarbeitsparagraphen würde sich doch wohl keiner für das gleiche Geld wie Hartz4 krumm machen.

  • A
    aurorua

    Acht Millionen Armutslohnempfaenger, Millionen von in Armut lebenden Erwerbslosen, Millionen von Armutsrentnern. Da kommen doch locker 18 bis 20 Millionen Waehler zusammen.

    Trotzdem wird neoliberaler Dreck wie SPD, FDP, CDU und GRUEN immer wieder im Wechsel in die Regierung gewaehlt!

    Ist dieses Volk volldaemlich oder wird seit Jahrzehnten Wahlbetrug praktiziert?

    Auf die Strasse mit dem Millionenheer der ausgebeutet und geschundenen!

  • FE
    Frau Edith Müller

    Und damit es bald 20 Mio Niedriglöhner gibt, gibt es die tägliche Lüge vom Fachkräftemangel.

  • VP
    Vassilis Paläokostas

    Das Xaos fängt bereits bei den Worten an: Arbeitnehmer geben ihre Arbeit, damit der Arbeitgeber sie nehmen kann, also hat man hier einfach die Bedeutung verdreht. Arbeiter sind eigentlich Arbeitgeber.

     

    Das 400 Euro Job Model diente ja bereits IWF Thomsen als Blaupause für Griechenland. Er wollte das um sich greifende Taglöhnertum in legale Bahnen lenken und - natürlich steuerfrei für Unternehmer - 100-400 Euro Jobs einführen, natürlich ohne Hartz4!

    Wer das Proletariat erreichen will, muß aus dem Internet auf die Strasse, denn die wenigsten haben Zeit oder Geld für Internet, würden sich aber sicherlich über gefakte Bildzeitungen voller Hintergrund in der U-Bahn freuen und wer weiß, eine gute Wochenzeitung wäre vielleicht sogar im Budget...

    Wetten, daß die meisten Billiglöhner Sympathien mit streikenden Südeuropäern haben und diese Anti-Kampagne aus der paranoiden Mittelklasse kommt? Schliesslich sind sie es auch, die meinen sie kennen diese Länder, weil sie da Urlaub machen und jetzt den enttäuschten Fan mimen.

    Wer von uns kann sich denn außer vielleicht alle 5 Jahre mal überhaupt Urlaub leisten?

  • AM
    Asi mit Niveau

    Wählt. wen Ihr wollt, wir machen eh, was wir wollen.

     

    Arbeitsteilung: Pure Drecksarbeit machende Asozialdemokratie - die Christen sorgen dann für Wachstum - Schröders bei Clinton abgeschauter Agendadreck (inklusive Leiharbeit) und vor allem die nie durchgesetzten Kriterien der Scheinselbstständigkeit (ursprünglicher Plan: 2 statt 4) und anschliessender Krankenkassenzwang für "Selbstständige" hat nicht nur das Prekariat geschaffen, sondern wird auch noch ganz übel mit dann bald 20 Millionen Grundentnern enden.

    Aber immerhin noch Hartz4. Noch schlimmer ist es in Griechenland: 360 Euro Stütze und pro Angehöriger kommen dann 10% drauf. Also Alleinerziehend und zwei Gören macht 432 Euro und nach 12 Monaten fällt das weg.

    Das einzige, was hier überhaupt noch hilft, sind Arbeiter- und Soldatenräte, dann könnten sich die Armen in Deutschland wenigstens mal einen Urlaub leisten, als proletarisches Austauschprogramm.

    Die besserwissenden Herrentouristen können dann gerne zu hause bleiben oder sich in Nordafrika bedienen lassen.

  • M
    Maßanzug

    Auf der einen Seite Hungerlöhne-, auf der anderen wird mit '7-Mäulern gefressen'. Lohndrücker werden durch Aufstockung subventioniert. Die Schröder-Gang hat das Arbeiter-Volk verraten-, und mit ihnen die Grünen. Erst verrät man sein Volk und dann verpisst man sich in die Wirtschaft.

  • 4
    400EuroJobs

    Schuld sind die 400 Euro Jobs -- diese müssen begrenzt werden sowohl was die Arbeitszeit angeht und eben flankiert durch Mindestlöhne..

     

    Sogar eine kommunale KITA hat hier in der Gegend mal Stellen ausgeschrieben für 400EuroJobber für 6,67 EUR pro Stunde - dafür wollten die auch noch eine Ausbildung als mind. Sozialpäd. Assistentin sehen. Früher war das mit Sicherheit eine Teilzeitstelle nach Tarifgehalt!

     

    und selbst im öffentl. Dienst gibt es reihenweise Personen die aufstocken müssen und ergänzend Hartz oder Wohngelder beziehen.

  • JS
    Jörg Schulz

    Es ist nicht nur ein finanzielles Problem. Ich bin ein sogenannter "Aufstocker", dabei sollte es richtigerweise heissen "Aufgestockter". Nicht nur, das ich meine Gehaltsstreifen überprüfen muß, ob korrekt Abgerechnet wurde, das Jobcenter nimmt es mit den Zahlungen auch nicht so genau. Wenn ich das Theater einmal weglasse, könnte ich ja ein gutes Leben führen. Jeden Monat, am ersten immer die selbe Angst: reichts für die Miete?, rechnen die korrekt ab?. "Die Würde des Menschen ist unantastbar" für Menschen, die zusätzlich zu ihrem Lohn Geld vom Amt bekommen (müssen)sollte es ehr heissen: "Die Würde des Menschen ist arg belastbar". Diese Hungerlöhne, einst von der Rot-Grünen Bundesregierung in der AGENDA 2010 eingeführt, sind plötzlich für die SPD nicht angemessen, genauso wie 8,50€ Mindestlohn eingeführt werden soll. In Berlin allerdings, zahlt der Senat weiterhin 7,50€ - da von einer Niedriglohnschwelle zu reden, ist verharmlosend, exakter wäre Arm trotz arbeit. An Streik ist nicht zu denken, wie denn auch, wenn die gewerkschaften sich nicht zuständig fühlen, so lange man von seinem Bettellohn keine Mitgliedsbeiträge errichtet. Sigmar Gabriel, von dem ich eigentlich dachte das er sich auskennt mit den gesetzen für die er (Mit)verantwotlich ist kennt. So sagte er mir, das er es als Schande empfindet, das arbeitende Menschen zum "Sozialamt" gehen muß. Die 8 Mio Menschen, die in solche Arbeitsverhältnisse gezwungen werden haben keine Lobby die sie vertritt, deswegen kann man mit ihnen machen was man will. hatz4, Niedriglöhne müssen auf jeden Fall erhalten bleiben. Nach dem Zusammenbruch kann man denn Enklaven bilden, z.B. in nähe des Bergwerkes ASSE - um dort die heutigen Befürworter dieser grundgesetzwiedrigen Praktiken nach alten Dogem wie Wachstum und Konkurrenz leben können. Mit Harz4, Ein Eurojobs, Riesterrente und....ja genau einen dicken TV für jeden, damit sie sehen wie eine Gesellschaft mit Bedinungslosen Grundeinkommen (BGE)aus dem vollem schöpft.

  • J
    jan

    Wer hat uns verraten?....

  • WR
    Weiße Rose

    Die einstiegen, vermeintlichen Vertreter der "kleinen Leute" - die SPD - ist durch Schröder, Clement und anderen Sozi-Schergen, längst zu deren Verrätern mutiert. Sie haben dem Manchester Kapitalismus Tür und Tor geöffnet, dabei Arbeit für Millionen zu Sklavenbedingungen billigend in Kauf genommen!

    Die Sozialdemokraten haben über Jahrhunderte mühsam errungene Verbesserungen der Arbeitnehmer-Bedingungen mit Füßen getreten.

  • F
    Felix

    Ich bin Entstörtechniker für Telefon und Internet. Ich wurde in ein Callcenter outgesourced und verdiene dort in der Stunde nur 7,50 Euro.

    Wenn man uns nur so einen prekären Hungerlohn zukommen lässt, braucht sich niemand über die Servicewüste wundern.