piwik no script img

Livni blitzt bei Orthodoxen abIsraels Regierungsbildung gescheitert

Die geplante Regierung scheitert über Differenzen um den Status von Jerusalem. Radikal-Orthodoxe lassen die Premier-Träume von Livni platzen. Profiteur ist der Konservative Netanjahu.

Gescheitert: Zipi Livni wird keine Ministerpräsidentin. Bild: dpa

Bei der oppositionellen Likud-Partei werden an diesem Wochenende die Sektkorken knallen. Nach wochenlangem hartem Tauziehen mit der designierten Premierministerin und israelischen Außenministerin Zipi Livni kündigte die orientalisch-orthodoxe Schass-Partei am Freitag an, dass sie einer Koalition mit Livnis Kadima-Partei nicht beitreten werde.

Damit sind vorgezogene Neuwahlen kaum noch zu vermeiden. Aktuelle Umfragen geben der Likud-Partei unter Benjamin Netanjahu einen klaren Vorsprung sowohl vor Livni als auch vor Ehud Barak von der Arbeitspartei. Der Likud-Abgeordete Juval Steinitz versprach den Abgeordneten der Schass schon mal einen "Ehrenplatz" in der künftigen Regierung.

Livni könnte noch versuchen, mit Hilfe der linken Meretz und den arabischen Parteien eine schmale linke Regierungsmehrheit zu bilden, was unwahrscheinlich ist, oder sie gesteht am Sonntag ihr Scheitern ein.

Um einen vorgezogenen Urnengang dann noch zu vermeiden, müsste sich eine parlamentarische Mehrheit für einen Alternativkandidaten entscheiden, der dann vom Staatspräsidenten mit der Regierungsbildung beauftragt werden würde. Zur Debatte steht Schaul Mofaz, der vor wenigen Wochen den Wettlauf um den Kadima-Vorsitz gegen Livni verlor. Mofaz hatte sich beim parteiinternen Wahlkampf als der erfahrenere Politiker präsentiert.

Das wahrscheinlichere Szenario ist jedoch, dass die Israelis im Februar, spätestens im März 2009 eine neue Regierung wählen. Damit würde Ehud Olmert, der als Premierminister zurückgetreten ist, weil er infolge einer ganzen Serie schwerer Korruptionsvorwürfe einen Prozess fürchten muss, noch weitere fünf Monate im Amt bleiben.

Ein Regierungschef, gegen den Anklage erhoben wird, ist jedoch nicht unbedingt geeignet, die schmerzlichen Kompromisse durchzusetzen, die für eine Einigung mit den Palästinensern nötig sind. Ebenso unwahrscheinlich ist, dass aus den Kontakten zur syrischen Führung noch in seiner Amtszeit regelrechte Verhandlungen hervorgehen. Olmert wird vermutlich noch nicht einmal in der Lage sein, einen Gefangenenaustausch und die Freilassung des vor fast zweieinhalb Jahren entführten israelischen Soldaten Gilad Schalit einzuleiten.

"Jerusalem steht nicht zum Verkauf" - so begründete Schass-Chef Eli Ischai die Entscheidung seiner Partei, der ambitionierten Livni die kalte Schulter zu zeigen. Die Schass bleibt sich in diesem Punkt treu, denn sie hatte schon vor dem Rücktritt Olmerts eine Fortsetzung der politischen Allianz an die Bedingung geknüpft, dass über Jerusalem nicht verhandelt wird.

Ihre Forderungen nach höheren staatlichen Sozialleistungen und vor allem Kindergeld können jedoch nur als verlogen bezeichnet werden. Denn schließlich war es Benjamin Netanjahu, der in seiner Zeit als Finanzminister die staatliche Unterstützung gerade für kinderreiche Familien brutal zusammenstrich.

Livni hinwiederum war der Schass schon deutlich weiter entgegengekommen, als es ihrer Glaubwürdigkeit gut tut, hatte sie doch zu Beginn der Koalitionsverhandlungen angekündigt, dass die hohen Zuwendungen an die religiösen Institutionen nicht angetastet werden sollten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

2 Kommentare

 / 
  • I
    Idil

    Ich wuensche Livni, dass sie es doch noch schafft, aber ich fuerchte ehrlich, dass wie so oft in der Politik nicht die Vernunft siegt. Aber nie zu frueh aufgeben!

     

    Verrueckt ist ja, dass sich sowohl extreme Hamas & Hisbollah Mitglieder, als auch extreme Nationalisten auf israelischer Seite, Netanjahu wuenschen (die erstgenannte Gruppe, weil sie dann wieder stärkere Anlässe für neue Angriffe/Anschläge haben werden).

     

    @ J. B: finde ich auch so ähnlich, aber vielleicht wird der de Gaulle oft doch zu sehr verherrlicht und seine Politik beschönigt, so ähnlich wie Adenauer. Ich kenne das von meinen Eltern, die auch dazu neigen. Ich finde, de Gaulle und manch andere wirken nur deshalb so positiv, weil die Hintergrundfolie "Hitler etc." so extrem negativ ist, dass sogar solche Leute dann umso besser erscheinen.

     

    Das ist uebrigens auch so ähnlich wie mit oft viel zu unkritischer Verehrung von A. Tuerk in der Tuerkei, der im Kontrast zu extrem antiliberalen und antisäkularen Kräften natuerlich sehr gut aussieht.

     

    Naja, wer weiß, vielleicht ist das ja sogar mit Livni gar nicht ganz sooo viel anders, obwohl ich sie wie gesagt sehr schätze, nach dem, was ich bisher von ihr kenne.

     

    Ach ja: Nicht vergessen: Stabilität ist nicht der oberste Wert einer Demokratie. Das haben auch de Gaulle u.a. vielleicht nicht immer kapiert.

  • JB
    Joachim Bovier

    Livnis Schlachtruf ist der des General de Gaulle

     

    Es kann nicht wirklich verwundern, dass kleinkariertes innerparteiliches Gerangel unter den potentiellen Koalitionspartnern und dreiste finanzielle Forderungen die geplante Regierungsbildung Tzipi Livnis vorerst haben scheitern lassen. Waren doch wohl auch innerhalb von Khadima unheilvolle Kräfte unterwegs, die der Aussenministerin das Ministerpräsidentenamt nicht gönnten.

     

    Es zeugt von Livnis bewunderswerter Geradlinigkeit, sich lieber auf ungewisse Neuwahlen einzulassen, als sich diesen verhängnisvollen, jahrzehntelang ins Israel praktizierten Politikstil der Erpressung und Nötigung durch kleinste Interessengruppen zu gehen. Wie das am Ende ausgehen wird, ist schwer vorherzusagen und die in Israel beliebteste und international profilierteste Politikerin fährt volles Risiko. Besteht sie diese Wahlen jedoch, dann regiert sie mit einer unanfechtbaren Autorität und weitreichenden Handlungsoptionen.

     

    Livnis Schlachtruf muss der des großen General de Gaulle sein – „Ich oder das Chaos“ -, mit dem dieser 1958 die fünfte Republik begründete und seit nunmehr über 50 Jahren Frankreich innenpolitische Stabilität gegeben hat.