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Archiv-Artikel

Live im zerstörten Köln

Das Internetportal koeln1.tv veröffentlicht einen lange verschollenen Film von 1948 über Köln nach dem Krieg

Köln im dritten Winter nach Kriegsende: Die meisten Wohnhäuser der Innenstadt sind zerstört, auch viele Schulen stehen nicht mehr. Jedes fünfte Kind hat keine eigenen Schuhe. Der notdürftige organisierte Unterricht findet deswegen in zwei Schichten statt, morgens und nachmittags. Zwischendurch tauschen die Jungen und Mädchen zu Hause die Schuhe.

Es war das Jahr 1947, die Zeit kurz vor der Währungsreform. Ein Filmteam der britischen Besatzungstruppen drehte damals in der Stadt einen Film über die Lage von Kindern und Jugendlichen. Der Film galt lange als verschollen. 2005 hat ihn dann der Kölner Journalist Hermann Rheindorf in einem englischen Archiv entdeckt. Seit einigen Tagen ist er weltweit im Netz zu sehen, auf Rheindorfs Internetportal koeln1.tv.

Gedacht war der 13-Minuten-Streifen für das britische Publikum: Dort wurde er in Kinos gezeigt, um Spenden für den Wiederaufbau einzuwerben. Dementsprechend gut kommen die Deutschen weg. Nazis kommen kaum vor, der Film konzentriert sich ganz auf die Jüngsten, die als „Zukunft des Landes“ präsentiert werden. „Da wird sehr milde mit den Kindern umgegangen“, findet auch Rheindorf.

Der Journalist will sich jetzt mit Hilfe von Zeitzeugen daran machen, die Entstehungsgeschichte des Films zu rekonstruieren, Drehorte und handelnde Personen zu identifizieren sowie die Darstellung mit dem Stand der historischen Forschung abzugleichen. Obwohl der Film noch nicht lange im Internet steht, hätten sich schon viele Menschen gemeldet, die sich auf den Bilder erkannt haben, berichtet Rheindorf. Dabei habe sich herausgestellt, dass mache Szenen für die Dreharbeiten nachgestellt wurden, etwa wie Kinder Kohlen klauen.

Auch die Arbeit der britischen Behörden werde in zu rosigem Licht dargestellt, findet Rheindorf. So hätten die Briten zwar alte Schulbücher gespendet, wie im Film gezeigt. Doch die hätten sich dann als unbrauchbar erwiesen, berichtet er. Im Film wird dagegen gezeigt, wie die Kinder die Hilfe dankbar annehmen. Trotzdem ist der Film für Rheindorf ein Glücksfund. Denn erstmals gebe es nun Aufnahmen mit Kölner Kindern an Originalplätzen, die das damalige Leben im weitgehend zerstörten Köln zeigen: die Armut, die zerstörten Schulgebäude. „Es ist wertvolles, aussagekräftiges Material“, sagt Rheindorf.DIRK ECKERT