Literatur im Deutschen Theater: Es fehlt jede Lösung
Junge Autoren sind zunehmend kritisch, was die Zukunft des Kontinents angeht.
„Die Europäische Union durchläuft eine ebenso gewaltige Krise wie ein großer Teil der westlichen Welt“, schreibt die portugiesische Autorin Filipa Leal. „So viele Gipfeltreffen, so viele Politiker. Und am Ende fehlt jede Lösung.“
Die 35-Jährige verfasste diese nüchterne Bilanz während der Europäischen Schriftstellerkonferenz, die 2014 in Berlin stattfand – noch vor der Eskalation des Ukraine-Konflikts. Nun liegt der Dokumentationsband vor und versammelt die Stimmen einer vorwiegend jungen Autorengeneration, die mit Europa aufwuchs, sich aber mehr und mehr um seine Zukunft sorgt.
„Fehlt es also an einer Erzählung von Europa“, fragte der Intendant des Deutschen Theaters, Ulrich Khuon, in dessen Haus am Dienstagabend die Premiere des Bändchens stattfand. An Erzählungen jedenfalls fehlt es unter den Schriftstellern nicht. Europa, das ist Vielstimmigkeit, Dialog, Perspektivenwechsel, gefördert von Stipendien und Übersetzungsprogrammen wie Traduki, das hierzulande auch die Literatur Südosteuropas bekannt macht, jene Region also, in der vor Kurzem noch geschossen wurde, in der Europa aber oft auch mehr bedeutet als Saturiertheit und Verdruss. „Für die Menschen in Albanien“, sagte die Schriftstellerin Lindita Arapi, „ist Europa auch ein Versprechen.“
Man hätte also gern etwas gehört auf die Frage des Moderators Tilman Spengler an Außenminister Frank-Walter Steinmeier über die besondere Rolle der Kultur auf dem kriselnden Kontinent. „Was liefert Ihnen die Literatur, was Ihnen die Dossiers des Diplomatischen Diensts nicht liefern?“, lautete die Frage, doch Steinmeier sprach lieber von den unterschiedlichen Geschichtserfahrungen der 28 Mitgliedstaaten. „Europa bedeutet nicht, dass wir uns einig sein müssen. Sondern, dass wir Wege finden, uns einig zu werden.“
Doch nach Einigung sieht es immer weniger aus. Nicht nur sozial fällt die Union auseinander, auch der Nationalismus nimmt zu. Ganz zu schweigen von den Stereotypen, die sich in kollektiven Zuschreibungen wie „die Griechen“ manifestiert.
Gut, dass auch György Dalos ins DT gekommen war. Der ungarische Autor war schon beim ersten Berliner Schriftstellerkongress 1988 dabei. „Damals war die Hoffnung im Osten auf den Westen groß“, erinnerte er. In seinem Land ist die Hoffnung dagegen einem gefährlichen Nationalismus gewichen, den Dalos als „Gift“ für Europa bezeichnete.
Kein Wunder, dass auch die Texte zu Europa unter den jüngeren Autoren kritischer geworden sind. Am selben Tag, als in Berlin die Mauer fiel, wurde vier Jahre später die Brücke von Mostar zerstört, betont der in Sarajevo geborene Autor Andrej Nikolaidis. Für ihn war die Brücke die Verbindung zwischen den katholischen Kroaten und den muslimischen Bosniern. „Und nun“, schrieb er, „kommt meine teuflische Frage: Wenn die Berliner Mauer nicht gefallen wäre, wäre dann die Alte Brücke in Mostar zerstört worden?“
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