unverbremt : Liquide Stadtmusikanten
Dass die Zeiten härter werden, finden viele. Doch mittlerweile macht die Brutalisierung des Alltags selbst vor unseren Märchen nicht halt, die ja – siehe gekochte Schwiegermütter und dergleichen – auch im Original oft nicht ohne sind. Den jüngsten Update des Bremer Hausmärchens von Esel, Katze, Hund & Hahn liefert jetzt die Nachrichtenagentur AP.
Etliche Hundert Liter Tierblut, eigentlich mit dem Tanklaster in Richtung Bremen unterwegs, seien zwischen dem Verkehrskreuz Münster-Nord und der Anschlussstelle Ladbergen auf die A 1 geflossen. Der 40-jährige Lastwagenfahrer habe den Deckel nicht richtig zugeschraubt, zahlreiche nachfolgende Autos seien verschmiert worden.
Auch die Grimm‘schen Protagonisten brachen im Westfälischen auf und erreichten Bremen nie. Doch anders als ihre flüssigen Wiedergänger konnten Sie sich wenigstens noch über Sinn und Ziel der gemeinsamen Reise unterhalten. Dabei gewänne die Formulierung „etwas Besseres als den Tod findest Du überall“ wahre Visionariät doch erst, wenn der Tod bereits eingetroffen ist.
Moderne Märchen taugen eben nur bedingt zur Identitätsstiftung. Und so muss die Autobahn-Episode auch ohne den moralisch hoch stehenden Höhepunkt auskommen: das Vertreiben der Räuber. Stattdessen endet Associated Press in steriler Trostlosigkeit: „Die Reinigung der Fahrbahn dauerte bis nach 19 Uhr an.“ HB