Linkspartei vor dem Durchbruch: Bitte versuche uns nicht, SPD!
Oskar Lafontaine hat mit der Linkspartei nur ein Ziel: Rein in die Landesparlamente von Hessen und Niedersachsen. Regieren können gern die anderen.
"Ich hoffe, wir sind drin", sagt Willi van Ooyen, Spitzenkandidat der hessischen Linken. "Bloß nicht zu viel Siegesgewissheit. Die Wahlen werden in den letzten 48 Stunden entschieden", sagt Lothar Bisky, einer der beiden Chefs der Linkspartei. "Wenn wir den Einzug in die Landtage nicht schafften, wäre das ein Rückschlag", sagt Oskar Lafontaine, der andere Parteivorsitzende.
Diese drei Aussagen spiegeln ganz gut die Stimmung der Linkspartei vor den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen am kommenden Sonntag wider. Sie schwankt zwischen Euphorie, Realismus und Nüchternheit. In den Umfragen liegt die Linke besser, als sie selbst erwartet hat: in Hessen stabil bei 5 bis 6 Prozent, in Niedersachsen seit letzter Woche erstmals bei 5 Prozent. Und noch immer glauben die Genossen an eine Erfahrung, die die PDS seit 1990 gemacht hat: Bei Wahlen schnitt die Partei fast immer besser ab, als die Demoskopen prognostiziert hatten. Andererseits wissen die Genossen auch, dass der Wahlabend naht, an dem es mit der Unterschätzung der Linkspartei vorbei sein wird. Also ist ihnen klar: Es wird in jedem Fall eng am Sonntag. Zwei Siege, zwei Niederlagen - alles ist möglich.
Vielleicht wird man später einmal sagen, dass sich mit den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen im Januar 2008 das bundesdeutsche Fünfparteiensystem endgültig etabliert hat. Nicht weniger steht für die Linkspartei auf dem Spiel. Schafft sie den Sprung in den hessischen Landtag, dazu vielleicht sogar noch in den niedersächsischen, wäre ihr der Durchbruch im Westen gelungen. Sie säße erstmals im Parlament eines westdeutschen Flächenlandes; bislang ist der Linkspartei nur in Bremen, einem traditionell linken Stadtstaat, im Mai 2007 mit 8,4 Prozent der Sprung in die Bürgerschaft geglückt. Mit einem Erfolg würde sie sich mit Blick auf die Bundestagswahl 2009 als gesamtdeutsche Partei und damit als dauerhafter Mitspieler in der Bundespolitik festsetzen.
So haben die Genossen in Hessen und Niedersachsen nur ein Ziel: reinkommen. Alles andere ist zweitrangig. Die Debatte, ob die Linke in Hessen für eine rot-rot-grüne Koalition zur Verfügung stünde, um CDU-Ministerpräsident Roland Koch zu stürzen, kommt der Partei deswegen ungelegen. Sie ist viel zu jung, ihr Personal viel zu unerfahren, ihr Programm viel zu unausgegoren, als dass sie ein solches Experiment erfolgreich bestehen könnte. Außerdem würde es ihr Oppositionsimage zerstören.
Also beten die Genossen in Berlin und Wiesbaden dreimal am Tag, dass die SPD ihnen nach der Wahl kein Angebot unterbreitet. Die Wahrscheinlichkeit, dass SPD-Spitzenfrau Andrea Ypsilanti das tut, tendiert allerdings gegen null. Und trotzdem ist zumindest der Bundesspitze klar: Wenn die Linkspartei gefragt würde, müsste sie springen. "An uns wird eine Abwahl Kochs nicht scheitern", sagt van Ooyen. Das müsste seine Landespartei dann unter Beweis stellen. Deswegen unterbreitet Lafontaine in den letzten Tagen eine Reihe von Bedingungen, unter denen die Linke bereit wäre zu regieren: gebührenfreies Studium, kommunale Energieversorgung, keine weiteren Privatisierungen, stabile Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst.
Aber das ist taktisches Geplänkel. Für Lafontaine ist klar: Koch abzulösen ist kein Selbstzweck, keine "Revolution", wie er sagt. "Ebenso wie Koch stehen SPD und Grüne für Hartz IV und Agenda 2010. Die Politik muss sich ändern."
Bodo Ramelow, Wahlkampfleiter der Bundespartei, sorgt trotzdem lieber für alle Eventualitäten vor. Mit jedem Genossen, der auf einem den ersten 12 Plätze der Landesliste steht, hat er ein persönliches Gespräch geführt. In "Fraktionsversammlungen" simulierten sie unter seiner Anleitung, wie sie sich als neue Landtagsfraktion verhalten sollen.
Für Ramelow ist wichtig, dass seine Partei mit jeder Wahl neue Erfahrungen sammelt. Auf dem Höhepunkt von Kochs polarisierender Ausländerkampagne verloren seine Genossen den Mut. Sie kamen in der öffentlichen Debatte nicht mehr vor. Aber auch die freundliche Ignoranz in Niedersachsen macht der Linkspartei zu schaffen. "Warum wählen uns die Leute?", das sei die zentrale Frage, meint Ramelow. Seine Antwort: "Wir sind der glaubwürdige Protest gegen die etablierten Parteien."
Und was, wenn die Linke verliert? Gerät ihr Westaufbau ins Stocken. Doch die Parteibildung wird deswegen nicht mehr scheitern. Die Linke liegt bundesweit stabil bei 10 bis 12 Prozent, in Hamburg, wo am 24. Februar gewählt wird, bei 6 Prozent. Selbst in Bayern kommen die Genossen mittlerweile auf 4 Prozent. Für die Kommunalwahlen im CSU-Land ist es der Partei erstmals gelungen, in allen großen Städten Kandidaten aufzustellen. Die Kommunalwahlen in Bayern und Schleswig-Holstein im Frühjahr 2008 sind für die Linke genauso wichtig wie Landtagswahlen. "Das Haus wird von unten gebaut", sagt Ramelow.
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