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Linkspartei im SaarlandFleisch vom eigenen Fleisch

Mehr als jeder andere Landesverband sind die Saar-Linken Sozialdemokraten alten Schlags. Der künftige Fraktionschef Rolf Linsler ist dafür ein Paradebeispiel.

Lafontaine ist raumgreifend - die Tagespolitik wird aber Rolf Linsler (links) bestreiten. Bild: dpa

Die Linke ist die unumstrittene Siegerin der Landtagswahl. Aus dem Stand kam die erst 2007 gegründete Partei auf 21,3 Prozent und zieht mit 11 Abgeordneten in den Landtag ein. Zu verdanken hat sie dieses für ein westdeutsches Bundesland sensationell gute Ergebnis natürlich in erster Linie ihrem Spitzenkandidaten Oskar Lafontaine (65). Der will sein Landtagsmandat zwar zunächst annehmen, doch nach der Bundestagswahl - und sehr gerne nach der Bildung einer rot-rot-grünen Koalition im Saarland - mit seinem Bundestagsmandat in der Tasche wieder nach Berlin wechseln. Das jedenfalls behauptete er zuletzt noch.

Im Landtag zurück blieben dann die zehn schon gewählten Abgeordneten der Linken und der Nachrücker für Lafontaine. Deren politische Führung soll Parteichef Rolf Linsler übernehmen, der schon der Fraktion im Saarbrücker Stadtparlament vorsteht und mit dem Segen von Lafontaine auch Fraktionsvorsitzender im Landtag werden soll. Mehr Macht hat die Partei im Saarland nicht zu vergeben.

Noch in diesem Jahr wird der 1,86 Meter große und 92 Kilogramm schwere Mann aus Gersweiler 67 Jahre alt. Mit Jogging an seinem Hausberg direkt auf der - unsichtbaren - Grenze zum französischen Département Moselle hält er sich fit. Angst vor der Doppelbelastung hat er auch nicht: "Ich war 20 Jahre lang Gewerkschaftsboss an der Saar. Ich steh auch das durch, weil mir die Politik Spaß macht", sagt er. Er bedauert nur, dass er künftig mit seiner Frau, mit der er seit 46 Jahren verheiratet ist und die ihm das "Politikmachen erlaubt" habe, weniger Zeit verbringen und auch seine Enkelkinder noch weniger sehen wird.

Erst der Gewerkschaft ÖtV und dann Ver.di stand der gelernte Feinmechaniker vor. Und er war - wie fast alle auf der Landesliste - über Jahrzehnte Sozialdemokrat. "Wegen Willy" trat er 1965 in die SPD ein - und wegen Gerhard Schröder und seiner "verdammten Agenda 2010" im Jahr 2007 wieder aus.

Im Gegensatz zum polarisierenden Lafontaine ist der Frankreich-Fan Linsler ein durch hunderte von Tarifverhandlungsrunden geprägter Mann des Ausgleichs, ein Spezialist in Kompromissfindung. Und ein verlässlicher Partner noch dazu. Mit dem Kommunismus hat er nie sympathisiert; mit der DDR auch nicht. In seinem Herzen sei er immer "Sozialdemokrat geblieben", sagt er, "ein Sozialdemokrat der alten Schule - mit einem sozialen Gewissen nämlich".

Der zweite Mann des Landesverbandes ist der habilitierte und promovierte Wirtschaftswissenschaftler Heinz Bierbaum, der seit 1996 das Institut für Organisationsentwicklung und Unternehmenspolitik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Saarbrücken leitet. Mit seinen 60 Jahren gehört Bierbaum zusammen mit Lafontaine, Linsler und auch dem neuen Landtagsabgeordneten Lothar Schnitzler (62) - einem Diplompsychologen aus Saarbrücken, der ebenfalls in der SPD war und dort als Querulant galt - der Generation 60 plus an.

Bierbaum war im Schattenkabinett von Lafontaine der Wirtschaftsminister. Will er es in einem eventuellen Kabinett Maas (SPD) auch tatsächlich werden, muss er sich gegen den von der SPD für diesen Posten nominierten Atomlobbyisten von Vattenfall, Rainer Knauber, durchsetzen. Auch Bierbaum gehörte 20 Jahre lang der SPD an, ehe er 2005 wegen der Agenda 2010 aus der Partei aus- und umgehend in die WASG, dem westdeutschen Teil der Linken, eintrat. Und Bierbaum war als Erster Bevollmächtigter der IG Metall in Frankfurt auch Gewerkschaftsfunktionär. Die Fraktion der Saar-Linken: Fleisch vom Fleische der SPD.

"Wieder einer aus Oskars Rentnerband", spotteten junge Grüne auf der Wahlparty ihrer Partei am Sonntagabend immer dann despektierlich, wenn die älteren Kandidaten der Linken im TV zu sehen waren. Tatsächlich ist der jüngste Landtagsabgeordnete der Linken, der Kraftfahrzeugmechaniker Ralf Georgi aus Ottweiler, auch schon 41 Jahre alt. Ihm folgen die von den Grünen zur Linken gekommene Bibliotheksoberrätin Barbara Spaniol (45) aus Homburg, die Lehrerin Heike Kugler (47) aus Nohfelden und die Kommunikationswissenschaftlerin und ehemalige Redakteurin der Bild-Zeitung Birgit Huonker (47).

Allzu juvenil wird es also nicht zugehen, wenn sich die neue Landtagsfraktion an diesem Mittwoch konstituiert - zumal drei weitere Fraktionsmitglieder, darunter die Regierungsangestellte Astrid Schramm aus der alten DKP-Hochburg Püttlingen, der Altersgruppe 50 plus angehören.

Die Fraktion sei eben "ein Spiegelbild unserer Wählerschaft", versucht Huonker den Mangel an jungen Leuten an der Spitze der Linken Saar zu erklären. Sie verweist auf das Publikum auf der Nachwahlfeier der Linken im Rotlichtviertel der Kapitale des Landes: "Grauköpfe überall im übervollen Zelt." Und die älteren Herrschaften hätten am lautesten "Oskar, Oskar!" skandiert.

Und die angeblich vielen - linken - Studenten in Saabrücken? Nur wenige hatten den Weg zur Linken gefunden. Im Kulturschuppen "Garage" dagegen füllten junge Menschen in orangefarbenen T-Shirts und in Anzügen den großen Saal bis zum Bersten. Sie tranken Alkopops und aßen für Lau Lewwerknepp und Gefillde (Klöße) - und warteten geduldig auf ihren Star: den Unionisten Peter Müller.

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12 Kommentare

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  • J
    Jascha

    In den letzten Tagen liest man hier, zum Glück, immer das gleiche in den Kommentaren. Nämlich verärgerte Taz-Leser denen das Linke-Bashing der Taz auf die Nerven geht.

    Mir gehts genauso. Ich lese die Taz nur noch, weil Ihre Anti-Linkspartei-Artikel in den Kommentaren regelmäßig so schön auseinandergenommen werden.

    Deshalb reichts auch nicht mehr fürs Abo, denn da fehlen ja die Comments.

  • P
    Pyro

    Liebe TAZ-Redaktion:

     

    Ein bisschen mehr Sachlichkeit bei einem absolut unabhängigem Blatt kann man ja wohl erwarten. Oder war der Artikel nur ein nicht-deklarierter Kommentar?

  • J
    joHnny

    ...gestrig...

  • U
    Unzeit-gemäß

    Zum Thema "Mangel an jungen Vertretern"

     

    1. Die 20- bis 45-jährigen sind nicht nur in der Linkspartei, sondern auch in der BEVÖLKERUNG eine Minderheit. Warum sollten sie also einen besonderen Anspruch auf wichtige Parteiämter haben?

     

    2. Die 20- bis 40-jährigen sind im Vergleich zu älteren Jahrgängen im Durchschnitt seltener politisch aktiv und gehen seltener wählen. Ohne Engagement keine Ämter, so sieht´s aus und das ist auch gut so.

     

    3. Jugendlichkeit an sich ist ja noch keine Qualifikation. Wie kann man also von "Mangel" sprechen?

  • G
    Gammelfleisch

    Na und, die Bevölkerung gilt doch im Durchschnitt auch schon als Gammelfleisch (ab 30).

     

    Wer will denn karrieregeile "Jungdynamische" wie Missfelder sehen und hören? Und schauen Sie sich mal die anderen uralten Parteien an: Merkel, Steinmeier, Münte usw. sind nicht nur im Gesicht, sondern im Geiste alt.

     

    Es kommt darauf an, geistig immer fit zu bleiben, und vielleicht fallen Ältere nicht so leicht auf die Propaganda der Arbeitgeberverbände herein, sofern sie gebildet und sozial sind.

  • BG
    Bernd Goldammer

    Wenns gegen die Linke geht ekelt sich die TAZ vor nichts.Doch die kriegsgrüne Schaumparty geht ihrem Ende entgegen und dann ist Sachlichkeit gefragt. Die "Müsslikids" im Saarland werden sicher bald merken, dass sie auf lange Sicht missbraucht werden. Wie lustvoll haben die "Edeldenker" den Bast ihrer Geweihe an Lafos Rücken abgearbeitet. Der Schuß Altersrassismus in diesem Artikel stinkt besonders übel. Ich hingegen schätze den hohen Bildungsgrad, die Lebenserfahrung und vor allem das menschliche Standvermögen der hier vorgestellten Leute. Außerdem weiß ich: Wer von der TAZ so angepinkelt wird, von dem darf man viel erwarten.

  • J
    Jascha

    In den letzten Tagen liest man hier, zum Glück, immer das gleiche in den Kommentaren. Nämlich verärgerte Taz-Leser denen das Linke-Bashing der Taz auf die Nerven geht.

    Mir gehts genauso. Ich lese die Taz nur noch, weil Ihre Anti-Linkspartei-Artikel in den Kommentaren regelmäßig so schön auseinandergenommen werden.

    Deshalb reichts auch nicht mehr fürs Abo, denn da fehlen ja die Comments.

  • P
    Pyro

    Liebe TAZ-Redaktion:

     

    Ein bisschen mehr Sachlichkeit bei einem absolut unabhängigem Blatt kann man ja wohl erwarten. Oder war der Artikel nur ein nicht-deklarierter Kommentar?

  • J
    joHnny

    ...gestrig...

  • U
    Unzeit-gemäß

    Zum Thema "Mangel an jungen Vertretern"

     

    1. Die 20- bis 45-jährigen sind nicht nur in der Linkspartei, sondern auch in der BEVÖLKERUNG eine Minderheit. Warum sollten sie also einen besonderen Anspruch auf wichtige Parteiämter haben?

     

    2. Die 20- bis 40-jährigen sind im Vergleich zu älteren Jahrgängen im Durchschnitt seltener politisch aktiv und gehen seltener wählen. Ohne Engagement keine Ämter, so sieht´s aus und das ist auch gut so.

     

    3. Jugendlichkeit an sich ist ja noch keine Qualifikation. Wie kann man also von "Mangel" sprechen?

  • G
    Gammelfleisch

    Na und, die Bevölkerung gilt doch im Durchschnitt auch schon als Gammelfleisch (ab 30).

     

    Wer will denn karrieregeile "Jungdynamische" wie Missfelder sehen und hören? Und schauen Sie sich mal die anderen uralten Parteien an: Merkel, Steinmeier, Münte usw. sind nicht nur im Gesicht, sondern im Geiste alt.

     

    Es kommt darauf an, geistig immer fit zu bleiben, und vielleicht fallen Ältere nicht so leicht auf die Propaganda der Arbeitgeberverbände herein, sofern sie gebildet und sozial sind.

  • BG
    Bernd Goldammer

    Wenns gegen die Linke geht ekelt sich die TAZ vor nichts.Doch die kriegsgrüne Schaumparty geht ihrem Ende entgegen und dann ist Sachlichkeit gefragt. Die "Müsslikids" im Saarland werden sicher bald merken, dass sie auf lange Sicht missbraucht werden. Wie lustvoll haben die "Edeldenker" den Bast ihrer Geweihe an Lafos Rücken abgearbeitet. Der Schuß Altersrassismus in diesem Artikel stinkt besonders übel. Ich hingegen schätze den hohen Bildungsgrad, die Lebenserfahrung und vor allem das menschliche Standvermögen der hier vorgestellten Leute. Außerdem weiß ich: Wer von der TAZ so angepinkelt wird, von dem darf man viel erwarten.