Analyse: Wahlalternative in NRW : Linkspartei: Top down, Bottom up
„Wähle dich selbst!“ Engagierte Bürgerinnen und Bürger aus ganz Nordrhein-Westfalen kommen zusammen. Sie sind enttäuscht von der herrschenden Politik. Sie wollen eine Wahlalternative. Sie gründen eine Partei. Was klingt wie die geraffte Gründungsgeschichte der NRW-Grünen vor nunmehr 25 Jahren, geschieht heute in zahlreichen Städten des Landes. Die „Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ (WASG) ist am Start. Noch hat das linke Bündnis nicht über eine Parteigründung entschieden, doch an der Basis haben sich längst Ortsgruppen gebildet. Fast 3.000 wollen mitmachen bei der Wahlalternative.
Auch die Rhetorik der entstehenden Linkspartei erinnert an den Aufbruch der Grünen anno 1979. „Wenn Politik auch anders funktionieren kann als im autoritären Top-Down-Stil, wenn ich einfach kommen kann, einmal hören und mitmachen kann, dann möchte ich mich auch für Politik engagieren“, beschreibt Koordinatorin Irina Neszeri das Politikgefühl von WASG. Schon der Verzicht auf Begriffe wie „Vorsitzender“ und „Chef“ zeigt den Rückbezug auf grün-alternative Führungsstrukturen. Gegen „Agenda 2010“ und „Hartz“ in Berlin, gegen „Sozialabbau“ auf allen Ebenen – „Wahlalternative“ ist in erster Linie ein Anti-Verein. „Wie die Grünen fangen wir erstmal an als Protestbewegung“, sagt Hans-Joachim Eugster, Sprecher der WASG-Regionalgruppe im Hochsauerlandkreis.
Eugster, Kaufmann aus Marsberg, versteht sich ausdrücklich nicht als Linker. Eugster will „den Mittelstand stärken“, fordert eine „radikale Steuerreform“. Während rund die Hälfte der WASG-Aktivisten aus dem sozialdemokratisch, gewerkschaftlichen Spektrum kommt, hat der Sauerländer zuvor Kommunalpolitik in einer Bürgervereinigung gemacht. „Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen zusammen arbeiten, damit wir aus dem Schlamassel rauskommen“, sagt er. Die linken Gewerkschafter bei WASG würden das so wohl nicht sagen.
Ingo Meyer, WASG-Sprecher in Dortmund, ist noch Mitglied der CDU. Enttäuscht von der Sozialpolitik von Angela Merkel will Sozialausschuss-Mitglied Meyer den Konservativen bald den Rücken kehren. Inhaltlich kommt auf WASG noch viel Arbeit zu, räumt Meyer ein: „Bisher hatten wir ja noch keine Meinungsverschiedenheiten.“ Auch das Perspektivziel der Alternativen, womöglich schon bei der NRW-Landtagswahl 2005 anzutreten, erscheint gewagt. Auf die Frage nach konkreten landespolitischen Zielen kommt meistens ein „mehr Geld für Bildungspolitik“. Aber wer will das nicht?
Auf der WASG-Bundesebene ist es mit der Anfangsharmonie bereits vorbei. Bislang konnten sich die Linksalternativen noch nicht auf einen gemeinsamen Programmentwurf einigen. Das wiederum erinnert stark an die Frühzeit der Grünen.
MARTIN TEIGELER