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Archiv-Artikel

berlin buch boom Linear spannend: Dieter Hombachs Berlin Evil II

Klarträume und Computerspiele

Auf dem Cover eine junge Frau im Comiclook und roten Lola-rennt-Haaren, in jeder Hand eine Taschenlampe, mit der sie eine Höhle ausleuchtet. Die übertriebene Wespentaille, die Oberweite – das alles erinnert unübersehbar an Lara Croft.

Für seinen Roman „Berlin Evil II“ hat Dieter Hombach eine Computerspiel-Heldin namens Mandy Hype erfunden, die ein Lara-Klon ist, so wie der Name seines Krimis sich an den Titel des Horrorspiels „Resident Evil“ anlehnt. Mandy Hype ist die Heldin des Berliners Tom, eines neurotischen, jungen Manns, der als Verkäufer von Computerspielen in einem Kaufhaus arbeitet. Nachts suchen ihn „Klarträume“ heim, in denen er die Abenteuer auf dem Monitor am eigenen Leibe erfährt – gefolgt von Visionen, in denen er von Monstern gejagt wird. Sitzungen beim Psychiater sollen ihn von seinen Fantasien kurieren. Eine Kundin sucht ihn immer wieder wegen Lösungen eines Spiels auf und verwickelt ihn dabei in ein Komplott, bei dem schließlich sein Leben in Gefahr gerät.

Etwas reißerisch kündigt der Verlag das Buch als „ersten Adventure-Game Krimi“ an. Das könnte ein interessantes Projekt sein, denn „Adventures“ waren das erste quasi-literarische Computerspiel-Genre. In der Zeit, als PCs noch keine Bilder zeigen konnten, wurden Szenarien in kurzen Sätzen beschrieben, und der User musste per Texteingabe handeln: „Go left“ oder „Open Box“ waren Befehle, mit denen man sich durch das Wort-Labyrinth navigieren konnte. Diese Art von Interaktion fehlt freilich in dem streng linear geschriebenen Roman von Hombach, der eine konventionelle Psychothriller-Story mit Elementen aus Computerspielen nur anreichert. Eine Kombination, die leicht in die Hose gehen könnte, aber Hombach macht daraus einen spannenden Schmöker.

Dessen Dramaturgie ist – ähnlich der von vielen Games – etwas holzschnitthaft: Aus dem Nichts tauchen sinnige Tibeter und Mexikaner auf, um dem Helden eine Lebensweisheit mitzugeben und wieder im Nichts zu verschwinden. Doch dann gelingen Hombach packende Beschreibungen von Paranoia und dem Verschwimmen von Realität und Computerspiel. In den besten Momenten huscht E.T.A. Hoffmann vorbei, stellt sich eine Art „Caligari“-Gefühl ein.

Stilistisch hätte ein guter Lektor an „Berlin Evil II“ einiges tun können. Hombach will offenbar einen besonders jugendlichen Ton anschlagen und füllt seine Sätze mit Worten wie „fuck“ und „megacool“, Frauen heißen „Bräute“, und immer wieder muss man Sätze lesen wie: „Ich wünschte, ich würde unter Mandy Hypes Plastiktitten liegen.“ Trotzdem müsste sich aus der Geschichte auf jeden Fall ein guter Film machen lassen. Keine teure Produktion, eher ein B-Film für die Spätvorstellung. Aber die machen ja häufig den größten Spaß.

TILMAN BAUMGÄRTEL

Dieter Hombach: „Berlin Evil II“, Militzke Verlag, Berlin 2003, 220 S., 7,90 €