Lilly Schröder über einen Hauseingang, der plötzlich berühmt wurde: Insta-Wallfahrt der Gen Z
Skandal in 10965: Graffiti. Auf einer Fassade. In Kreuzberg! „Pasha“, „amore çok“, „Pasha wir lieben dich – von Leni & Helene“.
So prangt es in allen Formen und Farben auf der Fassade des Hauseingangs in der Nähe des Mehringdamms. So sieht jede zweite Hauswand in Berlin aus, nur diesmal ist es nicht irgendein Altbau, sondern der Eingang aus dem Video. Die Tiktok-Pilgerstätte für Fans des Berliner Rappers Can Bayram, bekannt als Pashanim oder Pasha.
Der 24-jährige Sohn einer Deutschen und eines kurdischen Türken gibt sich als Ghetto-Rapper, seine Texte erzählen vom Kiezleben in Kreuzberg, vom Drogendealen und Stress mit der Polizei.
2019 erschien sein Song „Hauseingang“. Das Musikvideo dazu drehte er in der (Achtung doxx!): Hagelberger Straße 11. Darin sitzt Pasha lässig in Lacoste-Pulli und Louis Vuitton Tasche mit Freund*innen vor dem Eingang. Sie trinken Çay, rauchen Kippen und Joints und zählen im Flur Geldscheine. Dazu rappt er: „Hinterhof in Hood, chillen mit Shabab / Wir hör’n 22Gz, ofb jeden Tag“ (Keine Sorge, ich versteh auch kein Wort).
Der Hauseingang wurde über Nacht zum Social-Media-Hype: Auf Tiktok und Instagram filmen sich ultrageschminkte Gen-Z-Girls und Jungs in Baggy-Jeans vor dem Eingang, rappen Pashas Texte und verewigen sich an der Fassade.
An einem Montagnachmittag stehen vier Mädels vor dem Eingang, taggen ihren Namen an die Wand und posieren davor. Am Tag würden um die 100 Fans kommen, erzählt eine. Sie sei öfter hier, um Pasha zu ehren. „Aber ich bin ehrlich: Wenn ich hier wohnen würde, würde mich das mies abfucken.“
Und das tut es: Das Grundstück befindet sich auf Privatgelände, damit ist schon das unerlaubte Betreten und Filmen strafbar. Die Bewohner*innen ärgern sich über Fans, die Müll und Dreck hinterlassen, Lärm machen und den Hauseingang bemalen.
Kreuzbergs Grunewald
Dabei würde ihnen ein Anstrich von Street-Credibility nicht schaden. Denn mit dem Ghetto-Vibe, den Pasha besingt, hat der Spot wenig zu tun. Er befindet sich in Kreuzbergs Grunewald: Riehmers Hofgarten. Neobarocke und klassizistische Dekorationen verzieren die Fassade des über 150-Jahre alten denkmalgeschützten Gründerzeit-Bauensembles.
Die Luxusanlage ist ein Mahnmal der Verdrängung: 2006 wurde der Hofgarten an Investoren verkauft, aus der Anlage wurde ein Spekulationsobjekt. Die Kaufpreise liegen bei bescheidenen 12.000 Euro pro Quadratmeter.
Jetzt hat sich ein Anwohner wegen des Graffiti-Gate an Pashanim persönlich gewendet. In einer Instagram-Nachricht, die der Rapper veröffentlichte, beklagte sich der Anwohner darüber, dort nicht mehr ruhig leben zu können, „weil deine Fans täglich zu Scharen in den Hof kommen und ein fast 150 Jahre altes Baudenkmal mit Graffiti und Pasha-Schmierereien verunstalten.“ Die erste Familie würde nun ausziehen, weil die Kinder nicht mehr schlafen könnten, schreibt er.
Auch die Hausverwaltung hat mit dem Wallfahrtsort zu kämpfen. Die Kosten für die Graffiti-Beseitigung beliefen sich inzwischen auf mehr als 25.000 Euro. Das teilte sie dem RBB mit. Die Fassade wurde immer wieder neu gestrichen – und sah nach wenigen Tagen wieder aus wie davor. An Tagen, an denen der Rapper ein Konzert in Berlin gibt, müssten sie einen Wachschutz bestellen, so die Hausverwaltung. Inzwischen habe sie einen Anwalt eingeschaltet.
Auf eine taz-Anfrage reagiert die Hausverwaltung zurückhaltend. Man wolle keine weiteren Aussagen machen, da weitere mediale Aufmerksamkeit das Areal für Jugendliche noch attraktiver mache – und damit das Gegenteil von Rücksichtnahme auf die Bewohner*innen bewirke.
Nun hat sich Pasha selbst zu Wort gemeldet. In seiner Instagram-Story rief er seine Fans in Insta-Slang zur Vernunft: „Hört auf mit diesem an die Wand malen und laut sein. Die Leute da haben seit 3/4 Jahren kein normales Leben mehr. Danke ich küss eure Augen.“ Pashanim habe laut Hausverwaltung zudem durch seinen Anwalt ausrichten lassen, dass er sich an den Reinigungskosten beteiligen werde. Seinem Kiez bleibt er treu, der Kreuzberger Ehrenmann.
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