piwik no script img

Lilly Schröder hat die Doku über Peter Fox’ Blockparty angeschautGuten Morgen, Berlin, du kannst so bürokratisch sein

Es herrscht das Gesetz der Straße. Das Sagen haben die Clans. Gewalt, Messerstechereien und Schießereien gehören zum Alltag in Neukölln – zumindest, wenn man Medienberichten glaubt, allen voran der Springer-Presse.

Dass die Realität eine andere ist – genau das wollte der Berliner Musiker Peter Fox im Sommer 2024 mit seiner Reihe kostenloser Kiez-Konzerte zeigen. „Wir überlassen Berlin nicht der Bild-Zeitung“, rief er damals bei einer der „Blockpartys“ im Columbiabad. „Berlin gehört uns allen!“

Einen Blick hinter die Kulissen der Konzertreihe gewährt nun die Doku „Blockparty – Peter Fox feiert mit Berlin“, die ab dem 25. März in der ARD-Mediathek verfügbar ist. „Die Idee war, zusammen zu feiern mit den Bezirken, die medial einen schlechten Ruf haben“, erklärt Fox in der Doku – gewohnt lässig, mit blau getönter Brille. Geplant waren Konzerte am „Eastgate“-Einkaufszentrum in Marzahn, im Görlitzer Park in Kreuzberg, im Columbiabad und Gropiusstadt in Neukölln.

„Wir wollten auch Nachwuchsrapper aus den Kiezen auf die Bühne holen“, sagt Fox. Es folgen Szenen, in denen er Jugendzentren besucht und mit Streetworkern spricht, um Talente aus den Blocks zu entdecken. Die Kids sind beileibe keine Kiezlegenden, vom großen Durchbruch weit entfernt. Als Fox den ersten Song von Kevin, einem jungen Familienvater aus Neukölln, hört, zählt dieser gerade einmal 59 monatliche Hörer auf Spotify. Auch die 16-jährige Cerin, die Fox im Ufo-Jugendclub in Neukölln entdeckt, hat bislang nur auf Tiktok gesungen. Nik aus Marzahn hat nur in seinem Zimmer oder im Jugendclub Musik gemacht. Für sie alle bedeutet Musik vor allem eines: Leidenschaft und ein Zufluchtsort in schwierigen Zeiten.

Peter Fox verspricht ihnen, bei Konzerten in ihren Kiezen aufzutreten. Nur wollen die Behörden nicht ganz mitmachen. Die Liste der ordnungsrechtlichen Auflagen ist endlos: Toi­letten, Sanitätsdienste, Müllentsorgung, Zugangskontrolle. Feuerwehr und Polizei haben immer eines: Sicherheitsbedenken. Allein für das Konzert im Görli seien 2.500 Mails hin und her gegangen, berichtet ein Crew-Mitglied. „Im Nachhinein sehe ich den Größenwahn“, räumt Fox ein. „Man macht halt was außer der Reihe. Das gibt’s nicht für lau.“

Bis auf das Konzert im Columbiabad drohen alle Konzertpläne an den Auflagen der Behörden zu scheitern. Für die Konzerte in Marzahn und Gropiusstadt bekommt Fox eine Absage von der Stadt.

Mehr Glück haben Kreuzberg, Neukölln und Schöneberg: das Auftaktkonzert steigt im September 2024 im Columbiabad. Die Aufnahmen zeigen Tausende, die sich im Becken Wasserschlachten liefern und vor der Bühne neben dem Sprungturm tanzen. Auch beim Konzert im Görli ist der Park brechend voll, 12.000 sind gekommen – sogar auf den Dächern quetschen sie sich. Den Abschluss findet die Reihe im Innenhof der Sophie-Scholl-Schule am Pallasseum im Schöneberger Steinmetzkiez. 6.000 Menschen singen und feiern, Kinder sind auf Bäume und Zäune geklettert. Nachdem das Konzert in Gropiusstadt abgesagt wurde, darf Cerin aus Gropiusstadt an diesem Spätsommerabend hier auftreten – und wird vom Publikum gefeiert.

Während die Sonne über Berlin untergeht, steht einer der Nachwuchsrapper auf einem Dach mit Blick auf den Fernsehturm. Er breitet seine Arme aus, legt den Kopf in den Nacken und ruft: „Ich bin ein Star!“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen