Lightspeed Champion mit neuem Album: Wehrlos gegen sirupartigen Schmalz
Der Brite Devonté Hynes definiert als Lightspeed Champion ein neues Zeitalter des soften Barockpop: Cellotöne, Pianotupfer und Ukuleleparts treffen auf wehmütigen 60ies Sound.
Dev Hynes ist heute sehr bescheiden. "Wenn ich die Wahl habe, höre ich mir immer Klassiker an und nie den neuesten Hype. Grundsätzlich. Und natürlich, um diejenigen zu verschrecken, die denken, ich sei cool. Bei mir geht es um gute Hooklines, nicht um Coolness. Ich bin total uncool." Der Mann hat leicht reden. 2007 wurde er vom britischen Musikmagazin NME zur Nummer 49 der coolsten Musiker gewählt. 2008 rückte er immerhin auf Position 20 vor. Das Ergebnis für 2009 steht zwar noch aus. Es ist aber davon auszugehen, dass Dev Hynes sogar in die Top Ten der coolen Säue gewählt wird. Kein Wunder, bei der Hornbrille.
Nun gut, das könnte irgendjemand sein, der da per Telefon aus London zugeschaltet ist. Aber die Stimme klingt very british, ist bewandert in Understatement und wirkt äußerst charmant. Tatsächlich spricht der 23-jährige afrobritische Musiker Devonté Hynes am anderen Ende der Leitung. Und was er sagt, wirkt wie ein Ebenbild des Albumtitels seines Soloprojekts Lightspeed Champion: "Life Is Sweet, Nice to Meet You".
Hynes mischt auch in seinen Popsongs glühende Harmlosigkeit mit einer schon fast aufdringlichen Freundlichkeit. Kein Moll, null Härte, die einschmeichelnden Cellotöne, Pianotupfer und Ukuleleparts erdrücken einen fast vor Zuneigung. Und doch, wenn er dann auch noch mit seiner Engelsstimme zu croonen anhebt, ist man irgendwann wehrlos gegen den brutalen, sirupartigen Schmalz, mit dem er dem Technizismus der Gegenwart höflich, aber bestimmt die kalte Schulter zeigt.
"Del Shannon und Frankie Avalon sind mir die Liebsten. Frühe Sechziger, Brillbuilding-Sound und so. Wie damals die großen Gefühle unglücklicher Teenager zu 2 Minuten 30 Sekunden Songs orchestriert wurden, ist einzigartig. Dieses Over-the-Top-Gefühlige von Teenagern liegt mir besonders am Herzen."
Auch Hynes hebt gelegentlich zu Papiertaschentuch-Hymnen an, singt ergreifend über goldene Locken, mit denen er seinen hungrigen Magen vernäht, flauschige Schals und Kaffeetassen in Universitätswappen, die in den Schlamm vor das Studentenwohnheim segeln. Ein Hundeleben! In den späten Fünfzigern, als in Großbritannien die Angry Young Men auf den Plan traten und zornige Kitchensink-Dramen über die Schlechtigkeit der Gesellschaft verfassten, hätte Dev Hynes, der Friendly Young Man, nicht die leiseste Chance gehabt. Heute wirkt sein softer Ansatz schon fast wieder avantgardistisch: "Ich finde es viel schwieriger, positiv zu sein und in meinen Songs das Pendant zu einem freundlichen Lächeln zu erschaffen." Taktgefühl in the U.K.
"Ich fühle mich alten englischen Werten verpflichtet, Englisch so zu sprechen wie die Queen, ist mir ein Anliegen. Ich will Gedankenbilder der Beatles wieder aufgreifen." Ja, so isser, der Hynes. In die Wiege gelegt wurde ihm die stiff upper lip aber nicht. Geboren in Texas und in Essex aufgewachsen, einer besonders hässlichen Agglomerationsgrafschaft nahe London, wurde Hynes in eine Arbeiterfamilie geboren. Die Schulzeit in Romfort war auch kein Zuckerschlecken. Nicht Pop hat sein Leben gerettet, sondern ein Engagement im klassischen Orchester, zusammen mit seiner gleichfalls musisch begabten Schwester. Hynes erstes Instrument war das Cello. Von da tastete er sich an die anderen Instrumente vor, probierte auch Schlagzeug und arrangiert heute alle Songs und Parts im Alleingang, am liebsten als Nebenbeschäftigung, wenn der Fernseher läuft oder das Essen auf dem Tisch steht. Das Electric Light Orchestra im Einmannbetrieb.
Und nicht nur das. Seit er zwölf Jahre alt ist, covert Dev Hynes in seinem imperialistischen Schlafzimmer ganze Alben seiner Helden, etwa "A Wizard, a True Star" von Todd Runtgren oder "Discover America" von Van Dyke Parks. Auch heute sind diese beiden Musiker seine kulturellen Seitenleitplanken. "Ich will die Musik eigentlich nur in den Einzelteilen hören, mir gefällt es, Sachen auseinanderzunehmen und wieder zusammenzubauen."
Mit seinem Helden van Dyke Parks hat er schon zusammen aufgenommen. Als nächstes produziert er Solange, die jüngere Schwester von Beyoncé. Mit 23 hat Devonté Hynes also schon mehr erreicht, als andere Popstars in ihrer ganzen Karriere.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!