: Lieber viele kleine leuchtende Türmchen
Landesfrauenrat befragte 450 Frauen zur Wachsenden Stadt. Ergebnis: Gute Verkehrsanbindung, kurze Wege beim Einkauf, Arbeit, Kita, Schule und Kultur sind wichtig. Kritik am Senat: Der hat bisher nur Männer an der Planung beteiligt
Von Kaija Kutter
Der Hamburger Senat hat die Wachsende Stadt bisher ohne die Frauen geplant. Diese Feststellung trafen gestern der Landesfrauenrat und der Frauenprojekteverband „pro:fem“. In den offiziellen Veröffentlichungen „kommt das Wort Frau nicht vor“, kritisiert Susanne Wehowsky (pro:fem). „Wir fordern, dass Frauen stark an der Planung beteiligt werden“, ergänzt Ursula Dau vom Landesfrauenrat. Damit die Metropole auch für Frauen attraktiv sei, müsse das Leitbild der Wachsenden Stadt überarbeitet werden.
Gewicht verleiht dieser Forderung eine neue Umfrage, die der Landesrat unter 450 Frauen durchgeführt hat: „Wir haben dabei über unsere 50 Mitgliedseinrichtungen alle gesellschaftlichen Gruppen erreicht“, erklärt die Vorsitzende Kordula Leites. Herausgekommen sei ein „repräsentatives Ergebnis“.
Am wichtigsten beim Thema Wohnen in der Stadt sind Frauen demnach eine gute öffentliche Verkehrsanbindung, gefolgt von Grünanlagen, Einkaufsmöglichkeiten, Kulturangeboten, ausreichenden Fahrradwegen und einer zentralen Lage. 50 Prozent der Befragten sind Mütter und 70 Prozent erwerbstätig, folglich stehen auch wohnortnahe Kitas und Schulen ganz oben auf der Liste. „Einkaufen, arbeiten, Kinder zum Sport bringen – Frauen müssen viele Aspekte des sozialen Lebens in kurzer Zeit verbinden“, erklärt Wehowsky. Da sie in der Regel das „Soziale“ übernehmen, hätten sie eben einen anderen Blick auf die Stadt als Männer.
Die Umfrage enthielt auch offene Fragen nach Wünschen und Anregungen. Auffällig ist, dass viele Frauen bereit sind, sich in der Stadtplanung beispielsweise bei der Möblierung von Grünanlagen einzumischen. Und keine einzige Frau wünscht sich ein Einfamilienhaus im Grünen: „Sie möchte die grüne Stadt mit kurzen Wegen“, betont Ursula Dau. Doch jede sechste Frau bangt um bezahlbaren Wohnraum. „Günstige Wohnungen für Familien liegen oft in sozialen Brennpunkten und Betonwüsten“, hat eine Teilnehmerin angemerkt. „Diese Betonwüsten“, sagt Dau, „haben in den 70er Jahren Männer gebaut.“
Sorgen um Schlaglöcher, Staus oder defekte Straßen plagen die Frauen nicht. Häufig gefordert wird eine zu Fuß erreichbare Infrastruktur mit Läden, Bücherhallen und anderem, was frau vor Ort braucht. Große Einkaufszentren, die den kleinen Läden schaden, sollen nicht mehr gebaut werden.
Die Frauen, so bilanziert der Rat, „wünschen sich die sozialen Möglichkeiten eines Dorfes und die Freiheit und Angebotsvielfalt einer Großstadt“. Da in der Innenstadt fast eine Million Quadratmeter Büroraum leer steht, sollte dieser zu Wohnungen umgebaut werden.
„Stadtplanung ist für Männer ein großer Entwurf, in die Menschen sich hineinfinden müssen“, konstatiert Leites. Frauen bevorzugen dagegen eine „polyzentrische“ Stadtplanung mit „vielen kleinen Zentren und einer sich darin entwickelnden Strukur“. Statt einiger weniger Leuchttürme sollte die Wachsensde Stadt „lieber viele kleine Leuchttürmchen“ haben.
Doch die Entwicklung ist gegenläufig, Bücherhallen, Bäder, Schulen und Volkshochschul-Filialen drohen geschlossen zu werden. Und die ebenfalls in der Umfrage geforderten speziellen Beratungs- und Weiterbildungsangebote für Frauen sind bereits kaputtgespart.
Der Landesfrauenrat hat bereits am Donnerstag die Umfrage Stadtentwicklungssenator Michael Freytag (CDU) vorgestellt und stieß auf offene Ohren. Der Senator, so berichten die Frauen, habe erklärt, dass er dezentrale Angebote auch für wichtig halte. Nur wisse er nicht, wie ihr Erhalt bezahlt werden soll.